Die Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN bringt unter dem o.g. TOP den nachfolgenden Antrag ein. Wir bitten um Überweisung in die zuständigen Fachausschüsse und Bezirksvertretungen. Eine abschließende Beratung und Beschlussfassung des Rates erfolgt nach Abschluss der Beratungen der anderen Gremien.
Armut bekämpfen und Integration fördern
Dortmund ist wie viele andere Städte in NRW und der gesamten Bundesrepublik seit mehreren Jahren Ziel für ZuwanderInnen aus den neuen EU-Ländern, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien. So sind in NRW in 2011 rund 25.700 Menschen aus beiden Ländern zugezogen.
In Dortmund lebten im Jahr 2006 insgesamt 573 Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Ende 2012 waren es bereits 3110. Viele von ihnen ziehen vor allem aufgrund des günstigen Wohnraums und der vorhandenen Netzwerke in die Dortmunder Nordstadt. Die zuwandernden Menschen nehmen damit ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union in Anspruch. Dieses Recht ist eine der vier europäischen Grundfreiheiten und Teil der europäischen Bürgerrechte. Bürgerrechte sind unteilbar. Das gilt auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Mit der Freizügigkeit entfliehen sie damit zumeist unhaltbaren Zuständen in ihren Herkunftsländern.
Gleichzeitig hat der Zuzug der neuen ZuwanderInnen auch in Dortmund zu vielschichtigen Problemen geführt. Das betrifft insbesondere die Unterbringung in menschenunwürdigem Wohnraum, die fehlende Gesundheitsversorgung, die prekäre Situation der Kinder und Jugendlichen sowie die Beschäftigung in illegalen ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Aufgrund des bis Ende dieses Jahres geltenden Verbots der Aufnahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit sind viele der ZuwanderInnen gezwungen, sich unter ausbeuterischen Bedingungen zu prostituieren. Viele von ihnen leben in prekären Wohnverhältnissen ohne Krankenversicherung.
Politik und Verwaltung in Dortmund versuchen gemeinsam mit vielen anderen Akteuren vor Ort, die Situation der bisherigen ZuwanderInnen zu verbessern und kurzfristige Hilfsmaßnahmen anzubieten. Beispielhaft dafür stehen das Dortmunder Netzwerk EUArmutswanderung, das Projekt der Integrierten Wohnungsnotfallstrategie sowie das kommunale Handlungskonzept, Zuwanderung aus Südosteuropa. Viele Impulse aus Dortmund sind in den Bericht des Deutschen Städtetages zur Zuwanderung von EUBürgerinnen aus Rumänien und Bulgarien sowie in das Interkommunale KOMM-IN-Projekt eingeflossen.
Es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der ZuwanderInnen aus Rumänien und Bulgarien im kommenden Jahr 2014 weiter ansteigen wird. Grund ist die Einführung der uneingeschränkten Freizügigkeit und der damit verbundenen Aufhebung des Verbotes der Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse. Viele dieser Menschen werden aufgrund der Hoffnung, ihre wirtschaftliche und persönliche Lebenssituation zu verbessern, nach Dortmund kommen. Die Erfahrungen der Akteure vor Ort lassen vermuten, dass eine große Gruppe dauerhaft bleiben will.
Durch die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen ab 2014 wird sich sowohl die soziale Situation der ZuwanderInnen als auch die Situation der sie aufnehmenden Kommunen schlagartig ändern. Statt kurzfristiger Hilfen sind spätestens dann Maßnahmen zur schnellen, umfangreichen und zugleich nachhaltigen Integration der NeuzuwanderInnen gefragt.
Dieser Herausforderung müssen sich Politik und Verwaltung, muss sich die gesamte Dortmunder Stadtgesellschaft stellen. Die Integration insbesondere der Gruppe der nicht qualifizierten Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Südosteuropa stellt unsere Stadt vor große Herausforderungen, auf die man sich rechtzeitig vorbereiten muss. Hilfestellungen seitens des Landes, des Bundes sowie der EU müssen dabei eingefordert werden. Die Kommunen erwarten zu Recht Unterstützung für eine Integration von ZuwanderInnen, die über Qualifizierung und Bildung erfolgen muss. Gleichzeitig darf ein Verweis auf die Verantwortung anderer Ebenen nicht dazu führen, die eigenen Dortmunder Möglichkeiten zu vernachlässigen.
Vor diesem Hintergrund stellt der Rat der Stadt Dortmund fest:
1. Die nach Dortmund kommenden ZuwanderInnen insbesondere aus den neuen südosteuropäischen EU-Beitrittsländern nehmen ihr Bürgerrecht auf Freizügigkeit in Anspruch und sind in Dortmund willkommen.
2. Mit der Aufhebung des Arbeitsverbots ab 2014 wird voraussichtlich eine größere Gruppe von NeuzuwanderInnen dauerhaft in Dortmund bleiben wollen. Zielsetzung muss deshalb die schnelle und umfangreiche Integration dieser europäischen BürgerInnen in Dortmund sein.
3. Jeder und jede Zuwanderer/in, der/die nach Dortmund kommt, soll eine faire Integrationschance und damit die Möglichkeiten erhalten, für sich und seine/ihre Familie den Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften.
4. Die städtische Wirtschaftsförderung sowie die Sozialverwaltung werden aufgefordert, ein Konzept zur Qualifizierung und Erleichterung der legalen Arbeitsaufnahme der ZuwanderInnen zu erarbeiten. Dabei sind andere Akteure im Bereich der Qualifizierung einzubeziehen.
5. Die Verwaltung wird aufgefordert, den Beschluss des Sozialausschusses zur Schaffung zusätzlicher Beratungsmöglichkeiten für ZuwanderInnen schnellstmöglich umzusetzen. Die Beratung soll dabei insbesondere über rechtliche Grundlagen informieren, Begleitung und Unterstützung bei Behördenangelegenheiten bieten sowie Sprachmittlerleistungen anbieten, um eine faire Chance der Einhaltung von Regeln zu gewährleisten.
6. Die von den ZuwanderInnen bevorzugten Stadtbezirke und die dort lebende einheimische Bevölkerung benötigen besondere Unterstützung und Solidarität bei der Bewältigung der Aufgabe der Integration. Die Verwaltung wird aufgefordert, Möglichkeiten aufzuzeigen, welche Hilfestellungen vor Ort zusätzlich zu bereits vorhandenen Maßnahmen wünschenswert und umsetzbar sind, um die gemeinschaftliche Aufgabe der Integration zu bewältigen.
7. Ressentiments und populistische Panikmache verstärken in gefährlicher Weise eine gesellschaftspolitische Abwehrhaltung gegenüber den ZuwanderInnen. Zudem rufen sie Erinnerungen an historisch längst überholt geglaubte Debatten wach, die wir als Antiziganismus kennen. Der Rat stellt sich gegen alle rassistischen Versuche, die einheimische Bevölkerung gegen die ZuwanderInnen auszuspielen. Er unterstützt stattdessen jedes zivilgesellschaftliche Engagement für ein friedliches und solidarisches Miteinander vor Ort. Die Verwaltung wird aufgefordert, Möglichkeiten der Unterstützung eines derartigen bürgerschaftlichen Engagements aufzuzeigen.
8. Die Aufgabe der Integration kann und darf nicht allein von den Kommunen getragen und gelöst werden. Der Rat fordert sowohl die EU, den Bund als auch das Land auf, schnell und ausreichend den Prozess der Integration und die dafür benötigten Maßnahmen insbesondere auch finanziell zu unterstützen.