Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bittet unter dem oben genannten Punkt um Beratung und Abstimmung des folgenden Antrags:
Der Rat trauert um Mouhamed Lamine Dramé und ist in Gedanken bei seinen Hinterbliebenen und allen, die ihm nahstanden.
Am 8. August wurde der unbegleitete minderjährige Flüchtling Mouhamed Lamine Dramé bei einem Einsatz der Polizei in der Nordstadt erschossen. Nach seiner Jahre dauernden Flucht aus dem Senegal nach Deutschland hatte er sich Dortmund als Leben- und Perspektivort ausgesucht, weil er den BVB bewunderte. Er starb mit 16 Jahren nur eine Woche nach seiner Ankunft in unserer Stadt und der Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung.
Gleichzeitig ist der Rat erschüttert über die Eskalation des Polizeieinsatzes am 8. August. Der Einsatz hat über die Nordstadt und Dortmund hinaus landes- und bundesweit für Diskussionen und Empörung gesorgt.
Bis heute sind dabei viele Fragen offengeblieben, die öffentlich diskutiert werden und deren Beantwortung zu Recht massiv eingefordert wird. Der Rat kann diese Fragen nicht klären, unterstützt aber alle Forderungen nach einer lückenlosen und nachvollziehbaren Aufklärung.
Für viele Menschen schwer nachvollziehbar ist dabei allerdings, dass die Ermittlungen von der Polizei Recklinghausen vorgenommen werden, gegen die gleichzeitig die Dortmunder Polizei in einem anderen Fall ermittelt. Das erweckt den Eindruck einer nicht unbefangenen Untersuchung und Aufklärung.
Trotz dieser Konstellation vertraut der Rat auf die rechtstaatlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Er sieht sich durch die ersten veröffentlichten Einschätzungen der Staatsanwaltschaft darin bestätigt. Die endgültigen Ergebnisse der Ermittlungen müssen nun zunächst abgewartet werden. Sollten anschließend berechtigte Fragen offenbleiben, unterstützt der Rat Forderungen nach ergänzenden Untersuchungen des Einsatzes.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Tod von Mouhamed Lamine Dramé haben viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte deutlich gemacht, dass sie die Polizei aufgrund eigener Erfahrungen in Teilen als rassistisch wahrnehmen.
Das ist ein großes Problem für die Akzeptanz der Polizei und letztendlich für den Zusammenhalt im Stadtbezirk Innenstadt-Nord und in Dortmund und muss sowohl von der Polizei als auch von der Stadt ernst genommen werden. Rassistische Einstellungen sind in Teilen der Gesellschaft nach wie vor tief verwurzelt. Sie haben in einer demokratischen und rechtstaatlichen Polizei nichts zu suchen. Die Polizei darf in dieser Hinsicht gerade kein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein.
Im Zusammenhang mit dem Tod von Mouhamed Lamine Dramé gibt es auch Diskussionen um Defizite in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen. Der Rat hat in den Beratungen zum Haushalt 2022 beschlossen, zur Verbesserung des psychotherapeutischen Angebots für Kinder und Jugendliche in Dortmund einen entsprechenden Projektbereich im Jugendamt einzurichten. Ziel soll es sein, geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Versorgungangebotes zu entwickeln, die Sensibilisierung in Bildungseinrichtungen zu verankern und Schritte ins Hilfesystem zu erleichtern.
Vor diesem Hintergrund beschließt der Rat:
- Der Rat fordert das Land auf, die bisherigen festen Zuständigkeiten der Polizeibehörden bei Ermittlungen gegen andere Behörden aufzulösen.
- Der Rat fordert die Verwaltung auf, in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei, schnellstmöglich ein Format zu entwickeln, um die Ermittlungsergebnisse zum Tod von Mouhamed Dramé öffentlich darzustellen und zu diskutieren. Dabei sind insbesondere die Migrantenselbstorganisationen einzubeziehen.
- Der Rat begrüßt, dass die Polizei inzwischen versucht, mit einer niedrigschwelligen Präsenz der Bezirksbeamt*innen sowie der direkten Ansprache und Gesprächsangeboten vor Ort verlorenes Vertrauen in der Nordstadt zurückzugewinnen. Der Rat fordert die Polizei auf, weitere Formate in Zusammenarbeit mit Jugendhilfeeinrichtungen, Vereinen und Initiativen in der Nordstadt zu entwickeln, die diesen Prozess fördern. Das betrifft auch die Einstellung zusätzlicher Bezirksbeamt*innen als Ansprechpartner*innen auf der Straße und die vermehrte Einstellung von People of Colour beziehungsweise Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in den Polizeidienst.
- Der Rat fordert die Polizei auf, bisherige Einsatzkonzepte in der Nordstadt zu überprüfen und bei der Durchführung zukünftiger Einsätze stärker darauf zu achten, wie diese wahrgenommen werden und wie sie weniger bedrohlich wirken können.
- Der Rat fordert das Land auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um rassistische Einstellungen in der Polizei zu evaluieren und wirksam zu bekämpfen. Zudem sollen Polizei und Ordnungsbehörden darin geschult werden, mit psychisch belasteten, insbesondere geflüchteten Menschen, in akuten Krisensituationen deeskalierend umzugehen.
- Der Rat fordert das Land auf, unabhängige Untersuchungs- und niederschwellige Beschwerdestellen zu Polizeigewalt einzurichten.
- Der Rat fordert den Polizeipräsidenten auf, seine bisherigen Bemühungen um eine antirassistische Dortmunder Polizei zu verstärken.
- Der Rat fordert die Verwaltung auf, ein Konzept für eine*n eigene*n unabhängige/n Antirassismusbeauftragte*n in Dortmund zu erarbeiten und dem Rat vorzulegen.
- Der Rat fordert die Verwaltung auf, die bereits beschlossenen zwei Stellen im Jugendamt zur Verbesserung des psychotherapeutischen Angebots für Kinder und Jugendliche in Dortmund schnellstmöglich einzurichten und den Projektbereich auf den Weg zu bringen.