Montag, 15. November 2010
Die Fliegerbarone in SPD und CDU haben zusammengefunden: Bereitwillig nähern sie sich den Wünschen der Flughafen Dortmund GmbH an. Noch in diesem Jahr, in der Ratssitzung am 18. November 2010, werden sie in gleichlautenden Anträgen eine Verlängerung der Betriebszeiten bis 22.30 Uhr (plus eine halbe Stunde Verspätungsregelung plus eine weitere halbe Stunde für die 80 Prozent der Flugzeuge, die über Nacht in Dortmund bleiben) beschließen. Dabei übergehen sie geflissentlich den Willen der eigenen Parteimitglieder vor Ort (dort besonders Seite 1 und 5).
Wenigstens schrecken sie noch vor einem Beschluss zur Verlängerung der Start- und Landebahn zurück. Die GRÜNEN im Rat beantragen dagegen, weder Betriebszeiten noch Landebahn zu Verlängern: Keinen Meter mehr und keine Stunde länger!
Doch führen wir uns noch einmal den Grundkonflikt vor Augen:
Der Flughafen raubt den Menschen in der Einflugschneise den Schlaf. Vor allem aber kostet er die Dortmunderinnen und Dortmunder enorm viel Geld. Das müsste den Verantwortlichen ebenfalls den Schlaf rauben.
Sankt-Florians-Prinzip
Lassen wir den Lärm einmal beiseite: Zwar liegt der Flughafen in dicht besiedeltem Gebiet zwischen den Dortmunder Ortsteilen Aplerbeck, Schüren und Sölde, zwischen Unna-Massen und der Gemeinde Holzwickede, die allesamt vom Lärm der Flieger beeinträchtigt werden. Reden wir auch nicht von den gesundheitlichen Schäden durch Fluglärm (Studie Eberhard Greiser) oder den gesetzlichen Vorgaben zum Lärmschutz, die den Flughafen zu Lärmschutzmaßnahmen zwingen.
Reden wir nicht davon, dass es andere Flughäfen gleicher Größe gibt wie Münster/Osnabrück und Paderborn, die nur wenige Dörfer in der Einflugschneise haben.
Reden wir auch nicht davon, das es andere Flughäfen gibt, die besser erreichbar sind: (In Dortmund gibt es eine Bushaltestelle, in Düsseldorf hält der ICE).
Reden wir nicht davon, dass den Fluggesellschaften die zusätzliche Stunde in der Nacht kaum nutzen kann, wie Johannes Kleinschnittger ausführt (am Ende der Seite): Entscheidend – so wird gern argumentiert – ist die Zahl der „Umläufe“: Wie oft am Tag kann ein Flieger eine Strecke hin- und zurück-fliegen. Der entscheidende Sprung von drei auf vier Umläufe gelänge mit der Verlängerung auf 22.30 Uhr nur bei den sehr kurzen Verbindungen nach London und München. Doch London steht derzeit nur zweimal täglich auf dem Flugplan – da reicht die Nachfrage nicht einmal für drei Umläufe.
Interessant wird es wohl erst, wenn die Landungen bis 24.00 Uhr ausgedehnt werden.
Reden wir nicht vom Nutzen der Startbahnverlängerung: 2300 Meter nutzen allein Air Berlin, die dann auch mit einer vollbesetzten Boeing 737 besser vom Boden kommt und ohne Zwischenlandung die Kanaren erreicht – alle anderen Airlines brauchen für ihre Flugzeuge im Bestand nur die jetzige Bahn von 2000 Metern.
Interessant wird es für die Fluggesellschaften erst bei einer 2800- oder 3000-Meter-Bahn. Der Flughafen nennt diese daher häufiger in seinen Szenarien.
Schauen wir lieber an, was in Dortmund weh tut: das Geld
23 Millionen Euro Verlust bei 18 Millionen Umsatz
Seit Jahren produziert der Flughafen Defizite. Die GRÜNEN haben die Jahresergebnisse des Flughafens von 1998 bis (prognostiziert) 2013 addiert und kommen auf 318 Millionen Euro. Diese Verluste gleicht die Haupt-Eigentümerin des Flughafens, DSW21 (Dortmunder Stadtwerke AG) Jahr für Jahr mit den Gewinnen aus anderen Sparten aus, zum Beispiel über über die Strom- und Gaspreise in Dortmund.
Wie will der Flughafen denn aus der Verlustzone kommen? Der Markt für Passagiere wächst jährlich um 4,5 Prozent. Der Flughafen Dortmund rechnet für sich mit einem Wachstum von 7,8 Prozent – und hofft so, 2023 eine schwarze Null zu schreiben. Welches andere Unternehmen kann sich einen solch langen Konsolidierungskurs leisten?
Von Billigfliegern in die Sackgasse gedrängt
Sicher – eine Infrastruktur muss erst einmal geschaffen werden. Auch die Autobahnen finanziert der Bund und holt sich über Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Mauteinnahmen das Geld rein. Die Speditionen, die auf der Autobahn ihre Gewinne erwirtschaften, könnten allenfalls auf die Bahn ausweichen – und auch die baut und unterhält ihre Schienen selbst. Im Prinzip aber können sich Speditionen die Straßen oder Schienen nicht aussuchen – sie sind da und jeder Kilometer kostet gleich.
Nicht so die Fluggesellschaften. Für den Urlaubsflugverkehr spielen sie die Flughäfen im Wettbewerb gegeneinander aus. Wesentliche Einnahmequelle (und damit Druckmittel) sind die Abfertigungsgebühren. 2000 hatte sich der Flughafen rund 12 Euro je Passagier von der Bezirksregierung Münster als kostendeckend genehmigen lassen. Hinzu kamen weitere (nicht genehmigungspflichtige) Gebühren; insgesamt kostet ein Passagier den Flughafen etwa 18 Euro. 2005 führte der Flughafen sein Sonderprogramm NERES ein und verlangte nur noch eine Gebühr von 5,00 Euro – als Pauschale für alle Leistungen. Bis 2009 stieg die Pauschale auf optisch bessere 7,50 Euro. Mit geschickt formulierten Rabattklauseln zahlten die Billigflieger trotzdem nur 5,00 Euro.
De facto subventioniert auf diese Weise der Flughafen die Fluggesellschaften. Aus diesem Grund hat eine Gruppe um den Aplerbecker Unternehmer Johannes Kleinschnittger ein EU-Beihilfeverfahren gegen den Flughafen in die Wege geleitet.
Im Juli 2009 lief das NERES-Programm aus. Eine neue, genehmigte Gebührenordnung gibt es noch nicht. Wie kann das sein? Der Antrag ist zwischen Wickede und Brüssel hängengeblieben.
Kommt der Flughafen von den Billigfliegern wieder los?
Voraussichtlich nicht. In einer eigenen Analyse des Passagieraufkommens 2025 geht der Flughafen weiter von einer „kompetitiven“ Gebührenordnung (Seite 96) aus und rechnet mit 80 bis 100 Prozent Billigfliegern (Seiten 98, 100).
Kostenfreie Überlassung von städtischen Grundstücken
Ein weiteres EU-Verfahren läuft zur Zeit wegen des Parkplatzes am Flughafen. Das Grundstück gehört der Stadt Dortmund, doch der Flughafen zahlt dafür keine Pachtabgaben.
Kommt der Flughafen wieder in die schwarzen Zahlen?
Der Markt für Flüge wächst jedes Jahr um 4 bis 4,5 Prozent – kaum ein anderer Wirtschaftszweig kennt solches Wachstum. Der Flughafen rechnet jedoch mit 5 bis 7 Prozent mehr Passagieren, um langfristig eine schwarze Null schreiben zu können. Mit der Betriebszeitenverlängerung, die CDU und SPD am 18. November beschließen wollen, erreicht der Flughafen die schwarze Null im operativen Geschäft schon im Jahr 2023.
Resumee
Städte betreiben wirtschaftliche Betriebe allein zur „kommunalen Daseinsvorsorge“ – ein Regionalflughafen gehört sicher nicht dazu. Ein Flughafen, der in keiner eigenen Prognose langfristig auf schwarze Zahlen kommt, erst recht nicht.
Was tun? Den Flughafen schließen und die Startbahn für Rollschuhläufer freigeben? Wohl kaum. Die finanziellen Verpflichtungen laufen noch auf Jahre. Doch mittelfristig das Geschäft auf die umsatzbringenden Geschäftsleute konzentrieren, das ist ein Szenario, das Erfolg versprechen kann. Weniger Billigflieger, weniger Passagiere, weniger Personal zu Dumping-Löhnen, weniger Verluste.
Und dazu braucht es weder verlängerte Betriebszeiten noch ein längere Landebahn.