– Es gilt das gesprochene Wort –
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Rede des Fraktionssprechers Ulrich Langhorst zum Haushalt 2020/2021
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
die Beratungen und die Verabschiedung des diesjährigen Haushaltes sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.
Wir entscheiden heute über den Haushalt am Ende eines Jahres, das furios und maßgeblich von der Problematik des Klimawandels und der großen öffentlichen Diskussion darum bestimmt war. Und das zu großen Veränderungen führen wird und führen muss.
Lassen Sie mich deshalb gleich zu Beginn an dieser Stelle eines klar sagen:
Wir GRÜNE sind den Aktivistinnen und Aktivisten, den vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen von Fridays for Future mehr als dankbar dafür, dass sie es mit ihrer Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit geschafft haben, das Thema Klimaschutz ganz nach oben auf die politische Tagesordnung zu bringen.
Wer allerdings gehofft hat, dass auf Friday for Future auf der Straße heute hier im Rat bei der Beschlussfassung des Haushalts ein Thursday for Future folgt, sieht sich enttäuscht.
Aber dazu gleich mehr.
Im nächsten Jahr geht diese sechsjährige Wahlperiode zu Ende. Wir müssen feststellen, dass weder Land noch Bund es in diesen sechs Jahren geschafft haben, die finanzielle Ausstattung der Kommunen auf sichere Füße zu stellen.
In unserem Antrag findet sich die Kritik daran ebenso wieder wie in anderen Anträgen. Meine Vorredner haben dazu bereits das passende gesagt, ich will das nicht weiderholen. Wir können gemeinsam nicht mehr akzeptieren, dass sich Bund und Land die Verantwortung hin und her schieben, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dieser Haushalt ist noch aus einem zweiten Grund bemerkenswert:
Es ist ein Doppelhaushalt, gültig für die nächsten beiden Jahre. Wir haben dem Beschluss dazu im vergangenen Jahr nicht zugestimmt. Die Auffassung, dass man im Jahr einer Kommunalwahl nicht noch zusätzliche Haushaltsberatungen gebrauchen kann, haben wir nicht geteilt und wir teilen sie nach wie vor nicht.
Trotzdem war dieser Doppelhaushalt für uns GRÜNE kein Grund, uns aus der Diskussion darum zu verabschieden. Im Gegenteil: Wir haben mit unserem Antrag deutlich gemacht, wo und wie wir noch vorhandene Spielräume nutzen wollen.
Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
ich habe es zu Beginn bereits gesagt: Wir sind dankbar dafür, dass maßgeblich auch durch Fridays for Future eines der entscheidenden politischen Themen endlich den notwendigen Stellenwert bekommen hat.
Umso überraschter waren wir, als wir feststellen mussten, dass in den Haus-haltsanträgen aller anderen Fraktionen der Bereich des Klimaschutzes so gut wie nicht vorkommt.
Was ist das für eine Botschaft an die vielen Jugendlichen, die in den letzten Monaten Freitag für Freitag auch vor dem Dortmunder Rathaus für eine andere Klimapolitik gekämpft haben? Was ist das für eine Botschaft an die vielen Tausend Menschen, die an den Demonstrationen für den Klimaschutz teilgenommen haben?
Es ist die Botschaft: Gut, dass wir mal darüber geredet haben. Das war`s.
Diese Botschaft reiht sich ein in die Weigerung der Mehrheit dieses Rates, auch für Dortmund den Klimanotstand auszurufen – so wie es viele andere Kommunen in Deutschland bereits getan haben. Und auch das europäische Parlament in Straßburg hat am 28. November den Klimanotstand für Europa ausgerufen.
Wenn man konsequenten Klimaschutz will, dann bedeutet das auch eine Abkehr von vielen Selbstverständlichkeiten der letzten Jahre und Jahrzehnte, die mit zum Klimawandel beigetragen haben. Und genau hier gibt es dann die Nagelprobe zwischen verbalem Bekenntnis und realem Handeln.
An kaum einer Stelle wird das so deutlich wie im Bereich der Verkehrspolitik.
Die Zurückdrängung der autofixierten Planungen und die Rückgewinnung des Stra-ßenraums für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen muss deshalb endlich konsequent angepackt werden – aus Gründen des Klimaschutzes, aus Gründen der Verkehrssicherheit und auch, um die Stadt lebenswerter zu machen.
Die Verwaltung hat das Ziel ausgegeben, dass Dortmund bei der Nutzung von Fahrrädern zum Kopenhagen Westfalens wird. Dass wir davon noch weit entfernt sind, hat u.a. die Untersuchung „Driving City Index“ gezeigt. Danach liegt Dortmund weltweit auf Platz 10 der 100 autofreundlichsten Städte. Wir sind also momentan näher am autofreundlichsten Calgary als am fahrradfreundlichen Kopenhagen. Alle Bemühungen, dies umzudrehen, werden wir unterstützen.
Dass dies ein langer und schwieriger Weg wird, zeigt trotz aller anderen Bekenntnisse die Tatsache, dass unsere Haushaltsanträge zur Erhöhung der Mittel für die Radverkehrsförderung ebenso abgelehnt worden sind wie die notwendige Erhöhung der Parkgebühren in der Innenstadt.
27% der NRW-Städte wollen aktuell die Parkgebühren aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes anheben. In Dortmund findet sich noch nicht mal eine Mehrheit, um die Parkgebühren in der Innenstadt zum ersten Mal seit 2005 um 30 Cent auf 1,80 Euro pro Stunde zu erhöhen. Gleichzeitig kostet eine Hin- und Rückfahrt mit der DSW21 aus den Außenbezirken in die Innenstadt schon 5,80 Euro. Wie auf diese Weise der Anreiz geschaffen werden soll, bei Fahrten in die Innenstadt auf den ÖPNV umzusteigen, ist uns ein Rätsel.
Positiv überrascht sind wir allerdings, dass trotz, aber vielleicht auch wegen fehlender eigener Haushaltsanträge zum Klimaschutz einigen unserer Anträge zugestimmt worden ist – wenn auch mit unterschiedlichen Mehrheiten.
• Klar ist nun, dass der über 10 Jahre alte Beschluss zur Versorgung aller städtischen
Gebäude mit Ökostrom jetzt auch umgesetzt wird.
• Klar ist auch, dass es einen Fortschritt bei der Installation von Photovoltaikanlagen
und der Begrünung städtischer Dächer geben wird.
• Und gut ist ebenfalls, dass unsere Anträge für Maßnahmen zur Biodiversität und zum
Schulgärtenprogramm eine Mehrheit gefunden haben.
Das alles macht den heutigen Donnerstag beileibe noch nicht zu einem Thurs-day for Future, ist aber eine Zustimmung, die ein wenig Mut macht.
Mut machen auch weitere Projekte:
• Es ist gut, dass auf unseren Antrag hin 200.000 Euro für ein Strategiekonzept zum
Ausbau des ÖPNV beschlossen worden sind.
• Positiv ist auch, dass 12 Mobilstationen als zentraler Baustein des multimodalen
Verkehrs beschlossen wurden und die Mittel für die ersten zwei jetzt in den Haushalt
eingestellt werden. Wir gehen fest davon aus, dass nun die ersten Mobilstationen auch
wirklich realisiert werden.
• Und es ist gut, dass es eine zusätzliche Stelle zur weiteren Entwicklung des
Mobilitätskonzeptes „So läuft das“ geben wird. Das ist eine gute Nachricht für viele
Schulen und Kitas, die sich eine sichere und nachhaltige Mobilität von Kindern und
Jugendlichen wünschen.
Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
für viele Menschen in unserer Stadt ist die Suche nach bezahlbarem Wohnraum eines der drängendsten Probleme. Klar ist, dass in Dortmund jedes Jahr viele neue Wohnungen gebaut werden müssen, und zwar vor allem geförderte Wohnungen mit Mieten, die sich die Menschen auch leisten können.
Deshalb hätten wir uns gewünscht, dass wir mit diesem Haushalt die Quote für den geförderten Wohnungsbau erhöhen. Wir haben vorgeschlagen, das Instrument der Wohnungstauschbörse zu nutzen. Und wir hatten beantragt, dass die Verwaltung ein Konzept für eine Milieuschutzsatzung erarbeitet, damit langfristig die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Quartieren erhalten bleibt.
All diese Punkte – und die GRÜNEN Anträge waren auch hier die einzigen zu diesem zentralen Themenfeld – fanden keine Mehrheit, sondern sind in die Sitzung des Fachausschusses ins nächste Jahr geschoben worden.
Wir nehmen Sie beim Wort, dass diese Anträge dort intensiv beraten werden, denn das Thema ist zu wichtig, als dass wir uns dafür noch länger Zeit nehmen könnten, meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich kurz auf die Situation beim Deutschen Fußballmuseum eingehen.
Wir sind uns über die vertragliche Situation und die daraus resultierenden Verpflichtungen im Klaren. Und wir teilen den Wunsch der Mehrheit des Rates, das Museum zu einem Erfolg führen zu wollen. Wir gehen aber davon aus, dass die kommenden zwei Jahre von den Gesellschaftern intensiv genutzt werden, das Museum wieder in die finanzielle Erfolgsspur zu bringen. Und wir gehen vor allem davon aus, dass die politischen Gremien zukünftig umfassend in diesen Prozess eingebunden sein werden.
Ein weiteres wichtiges Thema ist für uns die in der Stadt vorhandene Armut.
Nach wie vor ist ein großer Teil der Menschen in Dortmund von Armut betroffen ist. Das hat der Bericht zur sozialen Lage sehr eindrücklich gezeigt. Besonders bedrückend ist dabei, dass ca. 30 % aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren an oder unter der Armutsgrenze leben müssen. Das hat gravierende Auswirkungen für ihre Zukunft.
Umso wichtiger ist es, die sehr unterschiedlichen Startvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen anzugleichen und zu verbessern.
Für uns gilt bei der Verteilung von Bildungsressourcen, dass Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Vorhandene Gelder und Ressourcen müssen dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden. Unser Antrag dazu hat im Ausschuss eine Mehrheit gefunden. Ein wichtiger Schritt, um die Benachteiligung vieler Kinder ein Stück auszugleichen.
Gemeinsam mit den Fraktionen der SPD, CDU und Linke/Piraten ist es auch gelungen, eine sofortige Verbesserung der Streetwork für Jugendliche ohne festen Wohnsitz zu erreichen. Und auch die verstärkte Förderung der Familien- und Er-ziehungsberatungsstellen wird dazu beitragen, die Situation für Familien und ihre Kinder zu verbessern. Die Antidiskriminierungsarbeit an Schulen wird mit dem SCHLAU-Projekt gestärkt.
Nicht hinnehmbar ist nach wie vor die Lebenssituation vieler Menschen aus Südost-Europa. Das beschreibt auch die Verwaltung in ihren Sachstandsberichten so. Deswegen freuen wir uns darüber, dass die finanziellen Mittel zur Unterstützung eines Waschcafés in den Haushalt eingestellt worden sind. Das trägt dazu bei, die Situation ein wenig erträglicher zu machen.
Wichtig und positiv für uns ist auch, dass der Dortmunder Wärmebus von Maltesern, katholischer Stadtkirche und der St. Johannes Gesellschaft nun von der Stadt finanziell unterstützt wird. Die Versorgung von Obdachlosen wird hier momentan rein ehrenamtlich geleistet und ist inzwischen ein wichtiger Baustein in der Wohnungslosenhilfe.
Unverständlich finden wir, dass SPD und CDU sich unserem Antrag zum Sozialticket nicht anschließen konnten. Klar ist, dass hier zunächst eindeutig das Land gefordert ist, die Mittel für das Sozialticket zu erhöhen. Das hat die CDU/FDP-Landesregierung bisher abgelehnt und das ist ein Armutszeugnis. Sollte sich hier absehbar nichts
ändern, muss darüber nachgedacht werden, wie und mit welchen Mitteln man kommunal eingreifen kann. Die Ablehnung unseres Antrags zeigt, dass hieran anscheinend kein Interesse besteht. Das ist im Sinne der betroffenen Menschen schade.
Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
es hat in den letzten Wochen weitere große Demonstrationen in unserer Stadt gegeben. Ich meine die Demonstrationen gegen die Aufmärsche der Dortmunder Nazis in der Nordstadt. Es war ein wichtiges Zeichen, dass über mehrere Wochen hinweg Hunderte, ja Tausende Menschen montagsabends gegen Rechts unterwegs waren.
Das war beeindruckend, anscheinend auch für die Nazis.
Denn während immer mehr von ihnen aufgrund der guten Ermittlungsarbeit der Polizei hinter Gitter verschwinden, hat der Rest seine bis Weihnachten angekündigten Aufmärsche kurzerhand abgesagt.
Die Demonstrationen gegen Rechts waren ein eindeutiges Zeichen und dieses Zeichen heißt: Dortmund ist und bleibt eine offene Stadt, eine Stadt der Vielfalt und der Demokratie!
Aus diesem Grund haben wir auch gerne den Anträgen von SPD und CDU zur Ausweitung der Mittel für die Koordinierungsstelle gegen Rechts bzw. für die Aussteiger- und Opferberatung zugestimmt.
Das verstehen wir auch als ein deutliches Zeichen gegen die Herren der AfD, denen zum Haushalt nichts anderes einfällt, als alles das zu streichen, was nicht in ihr rechtspopulistisches und reaktionäres Weltbild passt.
Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
lassen Sie mich abschließend festhalten:
Die Mehrheit des Rates unterstützt viele unserer Anträge für mehr Klimaschutz und eine emissionsarme und sichere Mobilität für Dortmund. Das Thema „Bezahlbares Wohnen“ werden wir Anfang des Jahres intensiv erneut aufgreifen. Auch für viele unserer Anträge für ein soziales Dortmund im Bereich der Antidiskriminierungsarbeit, der Wohnungslosenhilfe, der Sozialberatung gibt es Zustimmung. Und der Rat setzt mit diesem Haushalt ein deutliches Zeichen für ein weltoffenes, demokratisches und vielfältiges Dortmund.
Wir arbeiten mit diesen und weiteren Punkten mit an der Zukunft Dortmunds und stimmen dem Haushalt 2020/2021 zu.