Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
wir beraten heute einen Haushalt, der genehmigungsfähig ist. Dem Kämmerer und der Kämmerei ist es wieder mal gelungen, einen Haushalt vorzulegen, mit dem wir – aller Voraussicht nach – nicht in die Haushaltssicherung geraten. Wir wissen, das ist keine Selbstverständlichkeit und klappt in vielen anderen Städten insbesondere im Ruhrgebiet nicht so gut.
Und wir beraten einen Haushalt, der in seinem Kern wichtige und richtige Dinge enthält. Erfreulich ist auch, dass es in den Beratungen gelungen ist, an verschiedenen Stellen kleine Verbesserungen gerade im sozialen Bereich zu erreichen.
Das betrifft unsere Anträge zur Förderung des Gasthauses für wohnungslose Menschen, das betrifft die personelle Aufstockung bei den Erziehungsberatungsstellen und beim Frauenhaus, das betrifft aber auch die Sicherung der wichtigen Maßnahmen der Jugendberufshilfe.
Das alles hat einen hohen Wert und das erkennen wir auch an.
Dass darüber hinaus aber der Mut fehlt, den geringen Spielraum verantwortungsvoll für weitere wichtige Weichenstellungen in Richtung Zukunft vorzunehmen, bedauern wir allerdings sehr. Dass diese Weichenstellungen notwendig sind, kann man an den Dortmunder Schlagzeilen der letzten Monate erkennen. Da kommt man an drei Themen nicht vorbei:
· Am Thema Bezahlbarer Wohnraum;
· Am Thema Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr;
· Am Thema Situation in der Drogenhilfe.
Es ist erstaunlich, dass sich zu diesen für Dortmund so wichtigen und für viele Menschen so lebenswichtigen, ja überlebenswichtigen Themen in Ihren Haushaltsanträgen kaum etwas finden lässt.
Und wir sind umso erstaunter darüber, dass unsere Anträge, die sich intensiv mit diesen Problematiken beschäftigen, in den bisherigen Beratungen – bis auf die Ausnahme beim Gasthaus – keine Mehrheit gefunden haben. Wir gehen nicht davon aus, dass das ein Zeichen von Desinteresse ist oder dass die Probleme tatsächlich nicht wahrgenommen würden. Zumindest ist es für uns aber ein Zeichen von Mutlosigkeit.
Lassen sie mich klarstellen, worum es uns als Grüne mit unserem Haushaltsantrag geht:
Während wir hier heute Nachmittag den Haushalt beraten, nutzen nur wenige 100 Meter von hier entfernt viele Menschen den Drogenkonsumraum Kick. Ein Raum, der täglich vielen Menschen das Leben rettet. Ein Raum, der auch dafür sorgt, dass viele Begleiterscheinungen des Drogenkonsums im Sinne der Betroffenen aber auch im Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner und der gesamten Stadt gemildert werden können.
Ein Raum, der allerdings seit vielen Monaten aus allen Nähten platzt, weil der Bedarf größer ist, als Konsumplätze zur Verfügung stehen.
Klar ist uns allen: Wir brauchen eine Weiterentwicklung unseres Drogenhilfesystems. Klar ist aber auch: Das wird dauern. Aber weil die Situation im Drogenkonsumraum so angespannt ist, können und wollen wir nicht darauf warten. Wir müssen jetzt etwas tun! Deshalb haben wir beantragt, dass die Anzahl der Plätze möglichst bald ausgeweitet wird. Das geht schnell, das kostet nicht viel Geld und ist auch nach Auffassung des Betreibers des Drogenkonsumraums die beste Maßnahme zur kurzfristigen Entspannung der Situation.
Dass die dafür benötigten Gelder von 60.000 Euro im Finanzausschuss abgelehnt worden sind, halten wir vor diesem Hintergrund für unverständlich.
Während wir hier gerade den Haushalt beraten, bereiten sich an vielen Stellen in der Stadt Menschen darauf vor, erneut eine Nacht im Freien oder in vollkommen unzureichenden Wohnverhältnissen zu verbringen. Und einige von ihnen – insbesondere Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Süd-Ost-Europa – verelenden mehr und mehr.
Ja, es stimmt, die Verwaltung arbeitet zurzeit – auch auf grünen Antrag hin – an einem neuen Konzept der Wohnungslosenhilfe. Aber auch das wird noch dauern.
Es ist gut, dass mit den heutigen Beschlüssen zumindest das Gasthaus finanziell gestärkt wird, um mehr Aufenthaltsmöglichkeiten für wohnungslose Menschen zu schaffen.
Wir sind aber der Überzeugung, dass es darüber hinaus schnellstmöglich ein Nothilfeprogramm für diejenigen geben muss, die obdachlos und gleichzeitig von allen Transferleistungen ausgeschlossen sind. Das fordern auch viele Akteure der Wohnungslosenhilfe.
Insgesamt ist die Frage der Verfügbarkeit bezahlbarer Wohnungen von zentraler Bedeutung. Unsere Stadt wächst und das ist gut so. Wir müssen aber vermehrt darauf achten, das soziale Gefüge in den Quartieren zu sichern. Dazu haben wir einige Vorschläge gemacht. Da gehört der Vorschlag eines höheren Anteils geförderten Mietwohnungsbaus genauso dazu wie die Idee des Quartiersschutzes. Und wenn wir unsere städtischen Flächen für Wohnbebauung verkaufen, müssen – neben dem Preis – weitere Kriterien wie sozialer Wohnungsbau, die Einbeziehung alternativer Mobilität oder ökologisches Bauen eine zentralere Rolle bei der Vergabe spielen.
Dass all diese Punkte keine Mehrheit finden, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Und lassen sie mich noch einen Sachverhalt ansprechen, der sich ereignet, während wir hier den Haushalt beraten. Vorgestern – zum Beispiel – lagen die Belastungen durch Stickstoffdioxyd an der Brackeler Straße bei 67 Mikrogramm pro Kubikmeter. Und das ist nicht die Ausnahme, sondern – auch das wissen wir alle – das ist vielmehr die Regel.
Auch die Stadt Dortmund steht bei der Frage der Luftbelastung vor einem Klageverfahren. Anfang des Jahres wird sich durch Gerichtsurteile zeigen, ob dann auch Fahrverbote in Dortmund drohen. Umso unverständlicher, dass dieses für Dortmund und für die betroffenen Menschen so wichtige Thema nur in den Haushaltsanträgen der Grünen auftaucht.
Ja, es stimmt, mit der Fortschreibung des Masterplans Mobilität, mit dem Beirat Nahmobilität oder auch mit dem Förderprogramm Emmissionsfreie Innenstadt und mit dem Radschnellweg Ruhr sind einige wichtige Prozesse auf den Weg gebracht.
Aber all die dazu entwickelten Ideen und Maßnahmen müssen jetzt auch umgesetzt werden. Dafür braucht es – neben dem Geld – vor allem eine ausreichende personelle Ausstattung. Sonst kommen wir nicht weiter und viele wichtige Ansätze für eine klimafreundliche Mobilität können nicht umgesetzt werden.
Wir haben deshalb beantragt, dass die Stadt zusätzliche Mittel für die Radverkehrsförderung in Dortmund zur Verfügung stellt. Dafür brauchen wir gerade einmal 2 Euro pro Einwohnerin und Einwohner: für die Menschen, die die vorliegenden Planungen umsetzen, für die Ausgestaltung des Radwegekonzeptes, für Maßnahmen in den Bezirken und vieles weitere.
Wir hätten uns gewünscht, dass der Rat hier ein deutliches Zeichen setzt für Klimaschutz und für die Verkehrswende vor Ort und den Willen zeigt zu wirklichen Fortschritten. Leider ist das nicht der Fall.
Dass diese Zeichen heute nicht kommen, macht für uns die Zustimmung zu diesem Haushalt schwierig. Vor allem auch deshalb, weil damit keine finanziellen Risiken verbunden wären. Das bestätigt der Kämmerer in seiner Mail an die Fraktionen vom 06. Dezember. Dort schreibt er, dass die Anträge der Fraktionen den Haushaltsplan 2018 nicht mit überbordenden Forderungen unnötig belasten und somit das Ziel der Aufstellung eines genehmigungsfähigen Haushaltes nicht gefährden.
Auch in 2018 muss – wie in den letzten Jahren auch – unsere Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit durch den Griff in die allgemeine Rücklage abgesichert werden. Dabei ist allerdings der Abstand zur Haushaltssicherung so groß wie seit vielen Jahren nicht. Diese kleine positive Entwicklung darf in ihrer Substanz nicht gefährdet werden.
Gleichzeitig bieten sich dadurch aber bescheidene Handlungsmöglichkeiten, die vor dem Hintergrund vieler schwieriger Situationen in der Stadt da zu nutzen sind, wo akuter Handlungsbedarf besteht.
Und an dieser Stelle unterscheiden wir uns in unserer Einschätzung sehr, insbesondere von der CDU und der FDP/Bürgerliste. Für Sie – und das wird in Ihren Begründungen Ihrer Haushaltsanträge sehr deutlich – steht der kurzfristige Ausgleich des Haushaltes als oberstes Ziel fest. Die FDP/Bürgerliste will das sogar noch in 2018 durch eine „dynamische Haushaltsbewirtschaftung à la FDP“ schaffen – was immer das auch bedeuten mag.
Um das auch an dieser Stelle festzuhalten:
Auch für uns ist ein ausgeglichener Haushalt besser als ein Nichtausgeglichener. Auch für uns ist ein Erhalt der allgemeinen Rücklagen besser als eine Abschmelzung. Aber für uns ist im Gegensatz zu CDU und FDP/Bürgerliste eine schwarze Null kein Selbstzweck.
Wenn es Spielräume gibt, ohne das Ziel eines genehmigungsfähigen Haushaltes zu gefährden, dann wollen und müssen wir sie auch nutzen. Wir wollen im Rahmen der Möglichkeiten diese Stadt gestalten. Die Einschätzung des Kämmerers bestätigt uns darin, dass das auch geht.
Nach unserer Einschätzung werden wir einen Haushaltsausgleich absehbar aber nicht erreichen, wenn es nicht an vielen Stellen Entlastungen durch Bund und Land gibt. Und wenn diese Ebenen nicht endlich die Aufgaben finanzieren, die sie uns Kommunen übertragen haben.
Jede neue Bundesregierung – wie immer sie auch aussehen mag – muss einen Schwerpunkt auf die Entschuldung der Kommunen und insbesondere der Städte setzen, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind.
Die Diskussionen um einen Abbau des Solidaritätszuschlages sind vor diesem Hintergrund für uns falsch. Statt durch einen Abbau diejenigen zu entlasten, die eh schon zu den Besserverdienenden gehören, brauchen wir den Erhalt eines Solidaritätszuschlages, der sich nicht nach Himmelsrichtungen, sondern nach Notwendigkeiten bemisst. Dass hier insbesondere die Städte des Ruhrgebietes davon profitieren müssen, versteht sich von selbst.
Aber auch das Land ist in der Pflicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir begrüßen es sehr, dass sie Ihre eigene Landesregierung in Ihrem Haushaltsantrag in die Pflicht nehmen. In der Tat muss die vom Bund an die Länder gegebene Integrationspauschale zu 100% an die Kommunen weitergeleitet werden.
Wir fänden es aber auch toll, wenn Sie Ihre eigene Landesregierung noch an ihre weiteren Wahlversprechen erinnern. Das betrifft z.B. auch die dauerhafte und komplette Finanzierung der Schulsozialarbeit, so, wie das von Herrn Laschet im Landtagswahlkampf angekündigt worden ist. Und es betrifft auch neben vielen anderen Dingen nicht nur den Erhalt der Landesmittel für das Sozialticket, sondern eine Erhöhung und Dynamisierung. 18.000 Menschen sind bei uns auf ein solches Ticket angewiesen, das – wie wir alle wissen – eigentlich viel zu teuer ist.
Lassen Sie mich ein paar Sätze in Richtung der AfD-Fraktion sagen.
Wer wie Sie die Mittel für die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, die Gelder für das kommunale Integrationszentrum, für die Ombudsstelle für Bürgerinteressen und Initiativen oder aber auch für die Koordinierungsstelle für Lesben, Schwule und Transidente streichen will, der bestätigt damit vor allem eins: Nämlich, dass die Aufnahme eines eigenen Kapitels „Rechtspopulismus“ in den Aktionsplan gegen Rechts sehr richtig und sehr wichtig war.
Für sie mögen das alles – so wie Ihr Vorsitzender Herr Meuthen es nennt – Einrichtungen eines "links-rot-grün-versifften 68er Deutschland" sein.
Für uns sind das wichtige und notwendige Einrichtungen einer weltoffenen, toleranten und liberalen Stadt, die dazu beitragen, das friedliche und demokratische Miteinander zu stärken und zu fördern.
Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
wir hätten als Grüne den Haushalt gerne mitgetragen. Die Gründe dafür habe ich bereits zu Beginn genannt.
Wenn allerdings von dem eigenen Haushaltsantrag nur sehr wenig – von dem aus unserer Sicht Notwendigen und aus Sicht des Kämmerers finanziell auch Machbaren – übrig bleibt, dann ist das leider nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund werden wir dem Haushalt 2018 nicht zustimmen.