1. Kopf einziehen: Konkurrentenklagen
Die Lufthansa klagte gegen den Flughafen Frankfurt-Hahn, weil er dem Billigflieger Ryanair „Marketing Support“ und andere Zuschüsse gewährte. Genauso klagte Air Berlin gegen den Flughafen Lübeck. Der Bundesgerichtshof ließ im Februar 2011 diese Konkurrentenklagen zu (die Urteile selbst hier und hier):
Wenn ein quasi staatlicher Flughafen einer privaten Fluggesellschaft günstigere Tarife gewährt, eventuell sogar unter Preis, dann sind das unzulässige Beihilfen. Im Einzelfall darf die EU-Kommission Beihilfen billigen – wenn sie vorher eingebunden wird.
Warum reagiert die EU-Kommission derart massiv? Sie will verhindern, dass öffentliche Unternehmen mit Subventionen in unzulässiger Weise in die Märkte eingreifen. Macht dies ein Flughafen in öffentlichem Eigentum ohne Zustimmung der EU-Kommission dennoch, darf ein Konkurrent klagen und der Flughafen wird auf „Unterlassung, Auskunft, Beseitigung der Beeinträchtigung und Schadenersatz in Anspruch genommen“, so die Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Und da hat der Dortmunder Flughafen viele Subventionsbaustellen: Investitionsaufwendungen wurden nicht in die Kalkulation einbezogen, das Förderprogramm NERES oder sein Nachfolger, wie das folgende Beispiel zeigt:
Vorzugsbehandlungen
2000 hatte sich der Flughafen Dortmund rund 12 Euro je Passagier von der Bezirksregierung Münster als kostendeckende Gebühren genehmigen lassen. Hinzu kamen weitere (nicht genehmigungspflichtige) Gebühren; insgesamt kostet ein Passagier den Flughafen etwa 18 Euro. 2005 führte der Flughafen sein Sonderprogramm NERES ein und verlangte nur noch eine Gebühr von 5 Euro – als Pauschale für alle Leistungen. Bis 2009 stieg die Pauschale auf optisch bessere 7,50 Euro. Aufgrund geschickt formulierter Rabattklauseln zahlten die Billigflieger trotzdem nur 5 Euro. Alles mit Billigung von SPD und CDU im Rat der Stadt Dortmund. Und auch der frühere Stadtwerkechef Harald Heinze war sich nicht zu schade, durch einen Gewinn- und Verlustabführungsvertrag die sich abzeichnenden Flughafenverluste aus den Stadtwerkekassen zu bezahlen. Solch eine Vorzugsbehandlung erhalten die Flughäfen Münster/Osnabrück oder Paderborn nicht.
Klage aus Ostwestfalen?
Im Oktober 2011 drohte nun der Flughafen Paderborn mit einer Klage gegen die Dortmunder Stadtwerke. Klar, dass man da den Kopf einzieht und ganz still ist. Falls Paderborn tatsächlich klagt (oder Münster/Osnabrück oder Köln/Bonn oder Düsseldorf oder oder ...), müsste der Flughafen sofort Rückstellungen bilden, um im Falle der Niederlage sofort die Beihilfen zurückzahlen zu können. Nur: Diese Rückzahlungen würden das Eigenkapital des Flughafens übersteigen. Er wäre sofort pleite. Mehr noch: Selbst die Bildung der Rückstellungen gefährdet den Bestand.
Vielleicht liegt hier eine Erklärung, warum Paderborn noch nicht geklagt hat: Auch ein CDU-Landkreis mag den Ruin des SPD-Stadt-Flughafens nicht direkt verschulden.
2. Augen zukneifen: EU-Beihilfeverfahren
Das kennen wir schon aus einem früheren Newsletter: Johannes Kleinschnittger von der Schutzgemeinschaft Fluglärm wies die EU-Kommission auf die Subventionspraxis des Flughafens Dortmund hin. Diese EU-Beihilfeverfahren laufen noch immer, das Ergebnis wird im Sommer erwartet. Sollte der Flughafen hier verlieren (und das kann man erwarten), muss er mindestens kostendeckende Preise von den Fluggesellschaften nehmen. Also (siehe oben) 18 statt 5 Euro je Passagier. Vielleicht auch weniger, wenn er tüchtig spart (dazu unten mehr). Die Billig-Fluggesellschaften würden abwandern. Doch die hohen Kosten und Abschreibungen würden dem Flughafen bleiben.
Mehr noch: Der Flughafen müsste seine jährlichen Verluste selbst tragen – und wäre binnen kurzem insolvent. Vor dieser Aussicht kann eine Unternehmensführung eigentlich nicht die Augen verschließen. Wenn die EU-Kommission zu dem Schluss kommt, dass mit diesen Subventionen das Marktgeschehen verfälscht wurde: Dann muss der Flughafen sogar die von den Dortmunder Stadtwerken erhaltenen millionenschweren Finanzhilfen zurückzahlen. Eine augenblickliche Insolvenz wäre die Folge.
3. Feste die Daumen drücken: Umstrukturierungsbeihilfen
In dieser Situation wagte die Flughafen-Mutter die Flucht nach vorn und kündigte im Dezember 2011 an: Wir beantragen Umstrukturierungsbeihilfen bei der EU. Was ist das? Die Leitlinien selbst sind etwas lang zu lesen, aber für den Fischereisektor gibt es eine schöne Zusammenfassung. Damit können staatliche Stellen (zum Beispiel die 100-prozentige Stadttochter DSW21) privaten Unternehmen in Schwierigkeiten einmalig kräftig unter die Arme greifen, wenn zum Beispiel ein mittleres Unternehmen mindestens 40 Prozent der Umstrukturierungskosten selbst aufbringt. Der Flughafen plant dazu:
- Flächen verkaufen
- Frachtbereich aufgeben
- Gepäckabgabe an Dritte vergeben
- die Beteiligung am Parkplatzbetreiber SBB Dortmund verkaufen
- Personal von den Stadtwerken übernehmen lassen
- Gehaltszulagen kappen
- Dienstwagen, Dienstreisen und Diensthandys einsparen
- keine neuen Investitionen
- Und: mindestens dieselben Gebühren kassieren wie die Nachbarflughäfen
Da bleibt vom Flughafen, wie wir ihn jetzt kennen, kaum noch etwas übrig. Wir sollten dem Flughafen wirklich kräftig die Daumen drücken, dass er diese einmalige Beihilfe von der EU-Kommission genehmigt bekommt. Obwohl: Einmalig war schon. Das fanden die Stadtwerke auch schon selbst heraus. Für die EU bedeutet einmalig nämlich: nur einmal in zehn Jahren. 2004 und 2005 aber hatten die Stadtwerke ihrer Tochter das Eigenkapital kräftig aufgestockt. Also beigeholfen.
Am 16. Februar erklärte die DSW21 in der Westfälischen Rundschau offiziell, diesen Antrag gestellt zu haben – also jetzt die Daumen drücken!
Am 22. Februar aber antwortete der Oberbürgermeister auf unsere Ratsanfrage (Fragen 3 bis 5), ob solch ein Antrag schon gestellt worden sei: „Nein“, denn man überlege noch. Und das mit dem „einmalig“ wird „zum gegebenen Zeitpunkt“ geprüft.
Also doch noch nicht beantragt? Weiß die Stadt nicht mehr, was ihre Stadtwerke machen?Da sollte sie sich schnell erkundigen: Wenn nämlich die EU-Kommission abschließend über die Subventionspraxis urteilt, dann muss der Flughafen wahrscheinlich Millionensummen an die Stadtwerke zurückzahlen. Geld, das er nicht hat. Eine Insolvenz wäre nicht zu vermeiden. Und dann hat die Stadt ein Problem: Mit Segen von CDU und SPD wurde der damalige Ausbau über Kredite und flankiert mit städtischen Bürgschaften finanziert. Rund 66 Millionen Euro an Bürgschaften sind noch offen, die dann zu Lasten der städtischen Kassen fällig werden. Der fragile städtische Haushalt könnte eine solche Mehrbelastung nicht verkraften, ein Haushaltssicherungskonzept mit all seinen schmerzhaften Eingriffen wäre die Folge.Da mag man rufen: Kopf einziehen, Augen zukneifen, feste die Daumen drücken: Aber das ist doch keine verantwortliche Unternehmensführung – Entscheidungen müssen her! Entscheiden kann nur, wer Alternativen hat. Diese hat der Stadtwerke-Vorstand offensichtlich nicht. Vielleicht sollte er einmal bei der Uni im Fachbereich Raumplanung nachfragen. Die Professoren haben gerade ihren Studenten eine Hausaufgabe gestellt. Das Thema: Nachfolgenutzungen für ein Flughafengelände in Dortmund-Wickede.