Die GRÜNEN werden in der kommenden Woche im Wahlprüfungsausschuss und im Rat den Einwänden gegen die Kommunalwahl zustimmen und für eine Wiederholung aller Wahlen - Oberbürgermeister, Rat und Bezirksvertretungen - votieren. Das ist das Ergebnis der Beratungen des GRÜNEN Kreisvorstands am Donnerstagabend unter Beteiligung der GRÜNEN Fraktionen im Rat und den Bezirksvertretungen.
Hilke Schwingeler und Remo Licandro, SprecherInnen des GRÜNEN Kreisverbandes: „Jetzt ist der Wahlbetrug amtlich. Das Ergebnis des von allen Fraktionen im Rat - auch der SPD - in Auftrag gegebenen unabhängigen Rechtsgutachtens ist ein schwerer Schlag für alle diejenigen, die bisher der Auffassung waren, bei der Kommunalwahl sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Das Ergebnis deckt sich mit unserer bisherigen politischen Bewertung der Vorgänge. Das erfüllt uns allerdings nicht mit Genugtuung. Denn das Gutachten macht deutlich, dass durch bewusste Falschinformationen und Unterlassungen vor der Kommunalwahl durch die damalige Verwaltungsspitze die politische Kultur in Dortmund einen schweren Schaden erlitten hat, der weit über unsere Stadt hinaus von Bedeutung ist. Leidtragende sind zu allererst die Bürgerinnen und Bürger, die auf einer Informationsgrundlage wählen mussten, die nicht der Realität entsprach. Leidtragende sind auch die vielen MandatsträgerInnen in Rat und Bezirksvertretungen, die jetzt feststellen müssen, dass ihrer Wahl ohne eigene Schuld nun die Legitimität fehlt.
Wir haben als GRÜNE in den letzten Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass wir unser Abstimmungsverhalten im Wahlprüfungsausschuss und im Rat neben der politischen Bewertung auch von den Empfehlungen des Gutachtens abhängig machen werden. Wir werden deshalb in der nächsten Woche für eine Wiederholung aller Wahlen stimmen. Nur durch diesen Schritt können die verloren gegangene Glaubwürdigkeit und die politische Kultur in Dortmund wieder hergestellt werden. Wir appellieren an alle anderen Fraktionen und insbesondere an die SPD, diesen Schritt mit zu gehen. Wir begrüßen, dass Oberbürgermeister Ullrich Sierau mit seiner heutigen Erklärung den Weg frei macht für eine Wiederholung der OB-Wahl und sich ebenfalls für eine Wiederholung der Wahlen des Rates und der Bezirksvertretungen ausspricht.“
Mario Krüger und Ingrid Reuter, SprecherInnen der Ratsfraktion: „Das Gutachten von Prof. Dr. Beckmann zeigt klar auf, wie das Verhalten insbesondere des ehemaligen Oberbürgermeisters zu bewerten ist. Es ist eine Geschichte von Desinformation, Verschleierung und Bagatellisierung mit möglicherweise entscheidendem Einfluss auf die Kommunalwahlen. Selbst uns als damaligem Koalitionspartner ist dabei nicht der wahre Zustand der städtischen Finanzen präsentiert worden. Uns unbekannt war bis jetzt auch die Tatsache, dass dem ehemaligen OB noch am 29. Juli ein Zeitplan zur Einbringung eins Nachtagshaushaltes vor der Kommunalwahl vorlag, den er vom Tisch gewischt hat.
Aus unserer Sicht ist das Gutachten von Prof. Dr. Beckmann objektiver und plausibler als das von Prof. Dr. Bätge im Auftrag der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik erstellte Papier. Ein Beispiel mag dafür als Beleg dienen: Das Beckmann-Gutachten weist darauf hin, dass bei einer Besprechung am 11. August die damalige Kämmerin und der Abteilungsleiter Stadtamt 20 im Gespräch mit dem damaligen OB eine Nachtragssatzung vorgeschlagen haben.
Der OB – so das Gutachten – sei dem Vorschlag nicht gefolgt. Demgegenüber heißt es im Bätge-Gutachten der SPD lapidar: „In der Besprechung wurde entschieden, dass die Prognosen keine Nachtragssatzung rechtfertigen würden.“ Mit dieser Formulierung wird der Eindruck erweckt, als sei man sich einig gewesen, dass kein Nachtrag notwendig sei, weil der Haushaltsausgleich objektiv nicht gefährdet gewesen sei. Es wird verschwiegen, dass Kämmerin und Abteilungsleiter explizit anderer Meinung waren.
Das für unsere Bewertung maßgebliche Gutachten ist deshalb das von Herrn Beckmann, das bekanntlich von allen Fraktionen gemeinsam in Auftrag gegeben wurde. Auf Intervention der SPD wurde dabei Prof. Dr. Beckmann als Gutachter ausgewählt. Wir sind gespannt, ob und wie sich andere Fraktionen nun den eindeutigen Empfehlungen entziehen wollen.“
Aus Sicht der GRÜNEN sind die Aussagen des Beckmann-Gutachtens darüber hinaus in vielfacher Hinsicht überzeugend und nachvollziehbar: Der Gutachter misst den Unterlagen, die von der Kämmerin mit Schreiben vom 29.05.09 an Oberbürgermeister Langemeyer und Stadtdirektor Sierau versandt wurden, maßgebliche Bedeutung bei. Auch aus GRÜNER Sicht enthalten die Unterlagen wesentliche Informationen, über die der Rat und die Öffentlichkeit hätten informiert werden müssen.
Der Gutachter führt aus, dass es zur Wahrung der Rechte des Rates darauf ankommt, dass der Rat so rechtzeitig informiert wird, dass er seiner Entscheidungsverantwortung und seiner Kontrollfunktion gerecht werden und die aus seiner Sicht notwendigen Beschlüsse rechtzeitig fassen kann. Rechtzeitig bedeutet, dass über notwendige Sparmaßnahmen über die Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage und über den Erlass einer Nachtragssatzung vom Rat entschieden werden kann.
Der Grundsatz der Wahlfreiheit gebietet es darüber hinaus, den Wählern die für ihre Wahlentscheidung unerlässlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Eine unerlässliche Information wäre in der Tat ein zu beschließendes Paket von Sparmaßnahmen gewesen, wie es aktuell anlässlich der Beratungen zum Nachtraghaushalt vorgelegen hat. Darüber hätte es mit Sicherheit konfrontative Auseinandersetzungen und unterschiedliche Reaktionen in der Bevölkerung gegeben.
Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Oberbürgermeister seiner Informationspflicht hätte genügen müssen, ist vom Gutachter ebenfalls eindeutig beantwortet worden. Die Informationspflicht besteht nämlich dann, wenn sich eine Gefährdung des Haushaltsausgleiches abzeichnet und nicht, wenn sie schon eingetreten ist. Diese Gefährdung zeichnete sich bereits Ende Mai 2009 ab.
Auch die Ausführungen zum Begriff der Unverzüglichkeit überzeugen. So ist es auch aus unserer Sicht mehr als fragwürdig, eine wahlrelevante Thematik für eine Ratssitzung vorzusehen, die erst nach der Wahl stattfinden wird. Die Kämmerin hatte dagegen bereits am 29.07.2009 eine Sondersitzung des Rates vorgeschlagen. Der Gutachter geht noch weiter und vertritt die Auffassung, dass der Rat bereits in der regulären Sitzung am 25.06. hätte informiert werden müssen, um der Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung zu genügen. Dieser Auffassung können wir uns nur anschließen. Die Ausführungen zur Ergebnisrelevanz lassen letztlich keinen anderen Schluss zu als einer Wahlwiederholung zuzustimmen. Auch die Frage der Notwendigkeit einer Wahlwiederholung von Rat und BV-en wird zweifelsfrei beantwortet, da es nicht darauf ankommt, ob die Wahlbeeinflussung vom Kandidaten selbst ausgeht.