Kinderarmut ist ein nicht hinnehmbarer gesellschaftlicher Skandal. In Dortmund ist fast ein Drittel der unter 15-jährigen Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen und erhält Sozialleistungen – so steht es im aktuellen Bericht der Verwaltung zur sozialen Lage.
Grund genug für die GRÜNE Ratsfraktion, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Beim Ratschlag der Fraktion mit dem Titel „Alles andere als kinderleicht“ diskutierten dabei rund 50 Besucher*innen mit dem sozialpolitischen Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion, Sven Lehmann, der Dortmunder Dezernentin für Schule, Jugend und Familie, Daniela Schneckenburger, der Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Dortmund und Lünen, Uta Schütte, sowie mit Professor Dr. Uwe Becker, Professor für Sozialethik der evangelischen Fachhochschule Bochum, unter der Moderation von Fraktionssprecher Ulrich Langhorst. (siehe Photo von links nach rechts)
Armut als gesellschaftliches Problem
„Armut ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem“, stellt Uta Schütte aus Sicht eines Wohlfahrtsverbandes fest. „Deshalb müssen sich gesellschaftliche Zustände und Rahmenbedingungen ändern, um Armut wirksam zu bekämpfen.“ Als eine grundlegende Voraussetzung, um auch die Lage von Kindern zu verbessern, nannte Uta Schütte die Veränderung der oft schwierigen Elternsituation, was vor allem Alleinerziehende betrifft. „Alleinerziehende sind sozial benachteiligt. Die Steuern und Abgaben für sie sind hier deutlich höher als in den Niederlanden.“
Für armutsgefährdete Kinder ist Bildung wichtig
Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Stadtteilen haben dem Bericht zur sozialen Lage zufolge deutlich geringere Chancen auf einen höher qualifizierten Schulabschluss. „Deshalb muss der Zusammenhang zwischen Armut und Bildungsungerechtigkeit aufgebrochen werden“, plädierte Daniela Schneckenburger. Dazu seien vorhandene Gelder und Ressourcen an den Stellen zu bündeln, an denen sie gebraucht werden. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Schulen mit vielen armutsgefährdeten Kindern mehr Lehrer*innen und kleinere Klassen benötigen. „Ungleiches muss an dieser Stelle ungleich behandelt werden, um vorhandene Benachteiligungen auszugleichen.“
Kindergrundsicherung und Kindergrundrecht
Als weiteren Aspekt brachte Sven Lehman die Einführung einer eigenständigen Kindergrundsicherung ein, um eine Gleichbehandlung aller Kinder auch in finanzieller Hinsicht zu ermöglichen. „Es ist absurd, dass die Förderung von Kindern mit dem Einkommen der Eltern steigt. Diese ungerechte Systematik wollen wir verändern und mit einer Kindergrundsicherung eine gleiche Teilhabe für alle Kinder schaffen“, erläuterte Sven Lehmann die Pläne der GRÜNEN Bundestagsfraktion. Zudem wollen die GRÜNEN, dass ein Kindergrundrecht ins Grundgesetz aufgenommen wird, mit dem die Forderungen der UN- Kinderrechtskonvention verbindlich und eigene Rechte für Kinder mit aufgenommen werden sollen. Die Fraktion setzt sich auch dafür ein, dass der Bund mehr Geld zur Verfügung stellt: „Familien, die am wenigsten Einkommen haben, brauchen eine größere finanzielle Förderung. Geldleistungen sollen bedürftigen Kindern ohne Beantragung ausgezahlt werden.“
Warnung vor langfristigen Folgen der Armut für Politik und Gesellschaft
„Kinderarmut darf nicht isoliert betrachtet werden. Sie hat gravierende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und das politische Geschehen. Denn Armut führt auf Dauer dazu, dass sich Menschen aus dem gesellschaftlichen und politischen System ausklinken. Das ist eine Gefahr“, warnte Professor Dr. Uwe Becker. Er trat offensiv für einen gebundenen Ganztag für Schüler*innen ein. Bildung sei aber mehr als Schule, weshalb auch die offene Jugendarbeit zu stärken sei. Zudem sprach er sich für gravierende Veränderungen im System der Sozialhilfe aus. Letztendlich sind nicht nur Eltern, sondern auch Kinder Leidtragende, wenn finanzielle Mittel für bedürftige Familien durch Hartz IV-Sanktionen gekürzt werden.
Weitere Vorschläge
Die eingeladenen Fachleute und Besucher*innen forderten zudem unter anderem ein kostenloses Mittagessen an Schulen und kostenfreie ÖPNV-Tickets für Kinder und Jugendliche. Aus Sicht von Dezernentin Schneckenburger sollten Kindertagesstätten ihre Arbeit verstärkt auch auf kulturelle Aktivitäten ausdehnen. Gerade für Kinder aus einkommensschwachen Familien sei das oft die einzige Möglichkeit zur Teilnahme an kulturellen Angeboten. Zusätzlich forderte sie, dass sich die Schulsozialarbeit endlich zu einem festen und dauerhaft finanzierten Angebot entwickelt. Hier ist vor allem der Bund in der Verantwortung.
Kinderarmut weiter bekämpfen
„Es ist klar geworden, dass Kinderarmut nicht allein mit kommunalen Mitteln zu beheben ist. Es braucht die massive Unterstützung von Land und Bund, die aber an vielen Stellen fehlt. Trotzdem war die Veranstaltung für uns ein wichtiger Beitrag, um auch in Dortmund alle Möglichkeiten zu nutzen, Armut von Kindern konsequent zu bekämpfen“, sagte der Sprecher der GRÜNEN Ratsfraktion Ulrich Langhorst nach der Veranstaltung.