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Kann man Verflechtungen und Knoten abschalten? Atomkraft in Dortmund

Erdbeben, Tsunami, Reaktorkatastrophen: Was in Japan passierte und passiert erschüttert uns mehr, als wir es in Worten angemessen beschreiben könnten. Wer immer noch Zweifel am Atomausstieg hegt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Mittwoch, 22. März 2011

 

Helfen können wir allen, die den Überblick suchen: Was haben wir in Dortmund mit Atomkraft zu tun? Eine Bestandsaufnahme.

Wir verbrauchen ein Fünfundzwanzigstel Atomkraftwerk 
und besitzen ein Sechstel 

In Dortmund steht kein Atomkraftwerk. In ganz NRW arbeitet keines mehr. Hamm-Uentrop war das nächst gelegene und wurde 1989 abgeschaltet. Es ist fünf Meter dick in Beton verpackt und wird frühestens 2030 abgerissen. Die Brennelemente liegen derweil im Zwischenlager Ahaus. 
Just daran ist die Stadt Dortmund über die neue Beteiligung an der Steag beteiligt. Solange Zwischenlager genutzt werden, den Atomausstieg hinauszuzögern, solange sollte die Stadt ihren Einfluss als Eigentümerin nutzen, diese Beteiligung zu verkaufen. 
Doch die Stadt Dortmund besitzt auch Atomkraftwerke. Über die Beteiligung an RWE gehört uns rechnerisch ein Sechstel eines Meilers. Wie der Beteiligungsbericht der Stadt es anschaulich zeigt (auf Seite 10 der Datei): Über die Dortmunder Stadtwerke, die KEB Holding AG und die RW Energie-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG hält die Stadt 3,6 Prozent der RWE AG – und ist mittelbar größter Einzelaktionär der RWE. 
Zu RWE gehören: 

    _die Atomkraftwerke Biblis A und B (seit 1974 bzw. 1976 in Betrieb) mit 1250 und 1300 MW Brutto-Leistung
    _das Atomkraftwerk Emsland bei Lingen (seit 1988 in Betrieb, 1400 MW Leistung) 
    _sowie 75 Prozent an den bayrischen Atomkraftwerken Gundremmingen B und C (seit 1984, je 1344 MW) 

Rechnerisch 4,5 aktive Atomkraftwerke – macht ein Sechstel für die Stadt Dortmund. 
(Zurückgebaut werden seit Jahren die RWE-Atomkraftwerke Lingen (1968 bis 1977 in Betrieb) und Mülheim-Kärlich. Letzteres lief 1988 genau 100 Tage im Regelbetrieb, als es durch einen Gerichtsbeschluss stillgelegt wurde. Heute pikanter Grund: Weil man nach der Baugenehmigung erkannte, dass der Standort Neuwieder Becken leicht erdbebengefährdet ist, hatte man den Bau um 70 m verschoben – und versäumt, mit dieser wichtigen Information erneut eine Genehmigung zu beantragen.)
Auf der anderen Seite setzt unser lokaler Stromversorger DEW21 jährlich 2020 Millionen kWh Strom ab. Davon stammen 15 Prozent aus Atomkraft. Vergleicht man dies mit der Nettoleistung eines normalen Atomkraftwerks wie Biblis A (1.167 MW) und der jährlichen Betriebszeit (6900 Stunden) zeigt sich: Die DEW21 braucht nur 3,8 Prozent der Leistung eines Atomkraftwerks.

„Es kann so leicht sein, Großes zu bewegen, wenn man ein Riese ist.“ 

Mit diesem Spruch wirbt der Konzern für sich selbst. Biblis A und Bilbis B gehören zu den sieben Blöcken, die Angela Merkel nun abschalteten will. Damit auch die übrigen drei Kraftwerke (und die RWE-Atomkraftwerke in Rumänien, Bulgarien und Großbritannien) abgeschaltet werden, sollten sich die Dortmunder Vertreter im Aufsichtsrat der RWE und ihren Töchtern (siehe unten) für einen schnellen Ausstieg einsetzen. 
Bislang nutzt die Stadt nutzt ihren Einfluss als Eigentümerin (besonders stark im Konzert mit den anderen Ruhr-Kommunen) bislang nicht, um den Atomausstieg voranzubringen. 
Die Aktionärsstruktur der RWE lässt vermuten: Die Mehrzahl der Aktionäre hält die Aktien wegen der Dividenden, auch aus der Atomkraft. Seit der Laufzeitverlängerung haben sie nochmals an Wert gewonnen. Folglich versuchten auch die Dortmunder Stadtwerke beständig, weitere RWE-Aktien kreditfinanziert hinzuzukaufen. 
Aktuell sinkt der Wert der RWE-Aktien; die Dividenden werden von 4,50 Euro in 2009 auf ca. 2,50 bis 2,70 Euro in 2011 sinken. Ob sich dann die Zinsen für den Kauf noch über die Dividenden bezahlen lassen, ist fraglich. Im Finanzausschuss haben wir dies als Frage an die Verwaltung formuliert.

Lukrative Jobs in Aufsichtsräten

Die RWE-Anteile bringen ausgewählten Vertretern der Kommunen persönlich gewichtige Vorteile – in Form von Aufsichtsratsvergütungen. Gerhard Langemeyer, Dortmunder Ex-Oberbürgermeister, Wolfgang Reiniger, Essens Ex-Oberbürgermeister, Frithjof Kühn, Landrat des Rhein-Sieg-Kreis und Dagmar Mühlenfeld, Oberbürgermeisterin von Mülheim an der Ruhr tragen unzweifelbar große Verantwortung: 70.000 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von 48 Milliarden Euro. Der Verantwortung entsprechen die Aufsichtsratsvergütungen: 2010 erhielten die vier 627.000 Euro. Von 2003 bis heute überwies die RWE an Gerhard Langemeyer 1.219.000 Euro. Alle vier betonen selbstverständlich, das Geld für ihre persönlichen Leistungen und ohne einen Zusammenhang zu ihren (ehemaligen) politischen Ämtern zu erhalten und lassen dies höchstgerichtlich klären
Doch auch die RWE-Töchter haben Aufsichtsräte. Ernst Prüsse ist bekannt als Fraktionschef der Dortmunder SPD. Weniger bekannt ist er als langjähriger Mitarbeiter der VEW, der seit 2000 einen großzügig bemessenen Vorruhestand verlebt. Schließlich ist er auch Aufsichtsrat der RWE Rheinland Westfalen Netz AG und der KEB Holding AG. Ulrich Monegel, Fraktionschef der Dortmunder CDU, sitzt im Beirat der RWE Effizienz GmbH; Ex-CDU-Fraktionschef Frank Hengstenberg ist im Aufsichtsrat der KEB Holding AG vertreten. Hinsichtlich der Aufsichtsratsvergütungen lässt sich der RWE-Konzern nicht lumpen. Auch in den Tochtergesellschaften sind Aufsichtsratvergütungen von 50 bis 100.000 Euro die Regel.

RWE und Stadt – eine verhängnisvolle Verflechtung

Vergleichbare Abhängigkeiten bestehen zwischen der Stadt Dortmund und der RWE AG. Die Stadt Dortmund hält über die Stadtwerke 53 Prozent am kommunalen Energieversorger Dortmunder Energie und Wasser DEW21. Die übrigen 47 Prozent gehören der RWE-Tochter RWE Rheinland Westfalen Netz AG (RWN). Diese Verflechtung ging die Stadt ein, als sie 1999 der Übernahme der VEW durch die RWE AG zustimmte. Dem vorausgegangen war eine Genossen-Mauschelei: die Gründung der DEW21 zwischen den Dortmunder Stadtwerke und der VEW im Jahre 1992.
Wegen dieser gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen war die DEW21 – zumindest in der Vergangenheit gezwungen – zunächst von der VEW und anschließend von der RWE den Großteil des von ihr verteilten Stroms – und damit auch Atomstrom – einzukaufen. Für die DEW21 blieb als reiner Netzverteiler einzig das Endkundengeschäft. Das Geschäft mit der Stromproduktion und den Überlandleitungen (380 kV- Netz) behielten RWE und Co. Weitere Beteiligungen wie z. B. der Einstieg der DEW21 in das RWE-Gemeinschaftskraftwerk Steinkohle „GEKKO“ in Hamm oder die 3,8-Prozent-Beteiligung an „Green Gekko“ der RWE Innogy stärkten das enge Band zwischen RWE und DSW21 bzw. DEW21 – wobei die RWE die Entscheidungen nur zu gern allein trifft. 
Und dieses enge Band hat Folgen: Im Vergleich zu anderen Städten haben wir in Dortmund viele Nachtstromheizungen, aber wenige Blockheizkraftwerke. Die DEW21 blies 2006 mit jeder kWh Strom 917 Gramm CO2 in die Luft, fast doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt (514 Gramm). Inzwischen hat sich der CO2-Ausstoß des DEW-Stroms etwas gebessert.
Das Bundeskartellamt hat die Verflechtung von RWE und DEW, insbesondere die dominante Stellung der RWE beim Stromeinkauf kritisch bewertet und für 2014 eine erneute Überprüfung festgesetzt. Denn Ende 2014 läuft der DSW21-Gesellschaftervertrag zwischen der Stadt und dem Mitgesellschafter RWE aus. Spätestens 2012 wird sich zeigen, inwieweit die SPD-Fraktion ihren eigenen Parteitagsbeschluss [LINK SUCHEN] umsetzt und die Rekommunalisierung der DEW21 angeht – oder aber das Beziehungsgeflecht zum RWE-Konzern im Vordergrund steht.

Umsteigen 1

Ende 2008 beschloss (TOP 3.11) der Dortmunder Rat zum zweiten Mal nach 2006 (TOP 3.12), für den Eigenbedarf der Stadt nur noch Ökostrom zu nutzen. Umgesetzt ist dies bislang im Rathaus und im Stadthaus (Seite 17 der Datei). Ein schönes Symbol. In den 1400 anderen Gebäuden der Stadt fließt der Reststrom-Mix der DEW21 mit 16 Prozent Atomenergie. Nur zwei Gebäude mit Ökostrom zu betreiben, erinnert an dieselbe Augenwischerei, mit der die Stadtwerke ihre U-Bahnen mit Ökostrom aus norwegischer Wasserkraft fahren lassen – und die Lampen in den Bahnhöfen mit dem Reststrom brennen lassen.  Wenn wenigstens die Atomstrom-Komponente aus dem Strom-Mix der Stadtverwaltung entfiele, wäre viel gewonnen. 

Umsteigen 2

Die erneuerbare Energie muss auch produziert werden. Bis 2020 sollten die DEW21 den Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 35 Prozent steigern, bis 2050 auf 80 Prozent. Das geht vornehmlich durch Eigenproduktion. Das Solar-Dächer-Programm mit seinen Solarstromanlagen auf städtischen Dächern ist ein glänzender Anfang. Das Handlungsprogramm 2020 der Stadtverwaltung stellt weitere Möglichkeiten zur Stromerzeugung vor, zum Beispiel wie sich Blockheizkraftwerke verstärkt nutzen lassen. (Leider steht die entsprechende Drucksache Nr. 02984-10 nicht im Netz, aber hier  gibt es noch mehr Infos dazu.)

Was tun!

Betrachten wir die Sache mit dem Reflex eines guten Kämmerers: Sparen! Doch noch fährt sich kaum ein Rechner selbsttätig in den „Schlaf-Modus“, wenn er für eine Stunde nicht genutzt wurde. Nur eins von vielen Beispielen, wie die Stadtverwaltung Strom sparen könnte. Und die leidige Diskussion um die „alternativlose Notwendigkeit“ der Atomkraft einfach wegsparen könnte. 

Selbst die tiefkonservative Zeitung Die Welt erkennt nun den Zusammenhang zwischen Tiefkühlpizza und dem Heißhunger der Gesellschaft auf Energie. Und ergibt sich einer umfassenden Gewöhnung an Atomunfälle, wie wir uns auch daran gewöhnt hätten, vom Auto überfahren oder vom Elefanten zertrampelt zu werden. Oh nein. Atomkraft ist alternativlos? Oh nein. Mit der Schulter zucken, wenn Nachbarn den Strahlentod sterben? Oh nein. Wir können handeln, deshalb müssen wir handeln.

Am 31. März tagt der Rat der Stadt Dortmund. Tun wir, was wir können.

    _Den Dortmunder Appell zum Ausstieg unterzeichnen
    _Am Samstag in Köln demonstrieren und hier dazu anmelden.

   _Selber umsteigen.

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