Schwerpunkt in der Sitzung des Rates am Donnerstag war die Verabschiedung des Haushalts 2017.
Nachdem die GRÜNE Fraktion im vergangenen Jahr dem Haushalt zugestimmt hat, haben wir ihn dieses Mal abgelehnt. Ausschlaggebend dafür war, dass unsere Anträge, die sich schwerpunktmäßig mit der jetzt anstehenden Aufgabe der Integration und dem angesichts der Schadstoffbelastung in Dortmund mit der Verkehrswende hin zu umweltfreundlicher Mobilität befassen, von der Ratsmehrheit abgelehnt wurden.
Dazu gehörten auch die Diskussionen um den Behindertenfahrdienst und das Haushalts-Memorandum.
Die nachfolgende Rede zum Haushalt von Fraktionssprecherin Ingrid Reuter verdeutlicht unsere GRÜNE Position.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
wir alle erinnern uns noch an die dramatischen Bilder aus dem letzten Jahr, als Tausende Flüchtlinge nach Deutschland und auch nach Dortmund kamen und als Erstes menschenwürdig untergebracht werden mussten. Alle demokratischen Fraktionen hier im Rat haben sich 2015, aber auch 2016, der großen Aufgabe der Aufnahme von geflüchteten Menschen in unserer Stadt gestellt.
Der Haushalt 2016 war für uns ein Haushalt, mit dem dies abgesichert werden sollte. Deshalb haben wir ihm auch zugestimmt. Dieses gemeinsame Signal, da bin ich sicher, hat in die Stadt ausgestrahlt und mit dazu beigetragen, dass sich so viele Menschen ehrenamtlich bei der Aufnahme von Flüchtlingen engagiert haben – und dies nach wie vor tun.
Nach der Aufnahme geht es aber weiter: Jetzt schließt sich die große Aufgabe der Integration an. Viele gute Projekte und Maßnahmen sind inzwischen auf den Weg gebracht. Klar ist aber auch, dass noch viel getan werden muss. Denn die Integration all der neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist eine Mammutaufgabe und sie muss gelingen.
GRÜNER Schwerpunkt: Integration
Deshalb haben wir in unserem Haushaltsantrag ein Zeichen gesetzt, um die knappen finanziellen Ressourcen vorrangig für den Schwerpunkt Integration zu nutzen. Inzwischen leben mehr als 4000 Geflüchtete in Dortmund in eigenen Wohnungen. Das ist ein großer Erfolg, aber auch eine große Anstrengung. Viele Ehrenamtliche helfen ihnen bei alltäglichen Problemen und der Integration in ein neues Lebensumfeld. Ohne dieses Engagement könnte die Stadt diese Mammutaufgabe nicht bewältigen. Um dieses aber auch in Zukunft zu sichern, brauchen die Ehrenamtlichen eine größere organisatorische Unterstützung als bisher. Auch die Flüchtlingsberatung muss ausgeweitet werden, um die unmittelbare Lebenssituation der jetzt bei uns lebenden Menschen weiter zu verbessern. Wer jetzt nicht alles dafür tut, die zu uns gekommenen Menschen zu integrieren und ihnen beim Schuleintritt, bei dem Beginn einer Ausbildung oder der Arbeitssuche zu helfen, nimmt sehenden Auges zukünftige soziale Probleme in Kauf. Umso unverständlicher, dass unsere Anregungen keine Mehrheit gefunden haben.
In den Anträgen von SPD und CDU taucht das Thema Integration überhaupt nicht auf – als ob mit dem Dach über dem Kopf alle Probleme gelöst seien. Das scheint Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile auch aufgefallen zu sein und deshalb muss die von Ihnen unterstützte Kinderfeuerwehr nun als Integrationsprojekt herhalten. Ein sicherlich wünschenswertes Projekt, in Zeiten knapper finanzieller Mittel für uns aber nicht an erster Stelle. Im Übrigen kann man bezweifeln, ob Feuerlöschübungen für traumatisierte Kinder aus Kriegsregionen wirklich Freude bringen und integrativ wirken.
Keine Kürzungen beim BehindertenfahrdienstMeine Damen und Herren, Integration und Inklusion haben etwas mit Teilhabe zu tun, damit, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das geschieht auf ganz unterschiedliche Weise, weil auch die Barrieren ganz verschieden
sind. Für die zu uns Geflüchteten mag es die deutsche Sprache sein, für andere die Bildung, das fehlende Geld und für wieder andere die Frage, wie sie von einem Ort zum anderen kommen.
Sie alle wissen wovon ich spreche: Ich meine den Behindertenfahrdienst. Es ist vollkommen unverständlich und sozialpolitisch falsch, dass der Behindertenfahrdienst immer noch in der Memorandumsliste auftaucht, mit der strukturell 15 Mio. Euro pro Jahr eingespart werden sollen. Die Verwaltung dieser Stadt hat eindeutig festgestellt, dass eine Einsparung von 600.000 Euro beim Behindertenfahrdienst ohne Qualitätsabbau nicht machbar ist. Wie auch? Der gesamte Zuschuss der Stadt beträgt zurzeit 1,4 Mio. Euro. Da sind 600.000 Euro immerhin 43 %! Das muss an die grundlegende Substanz des Behindertenfahrdienstes gehen. Und statt die geplanten Einsparungen zur Seite zu legen, halten SPD und CDU weiterhin daran fest. Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, ändern auch Ihre Winkelzüge im Finanzausschuss nichts. Dort haben Sie zwar dem Beschluss des Behindertenpolitischen Netzwerks zugestimmt, in dem eine detaillierte Analyse im Rahmen des Masterplans Mobilität gefordert wird, gleichzeitig aber haben Sie den CDU-Antrag beschlossen, der auf ein ganz anderes Organisationsmodell für den Behindertenfahrdienst ab dem 1. Januar 2018 hinausläuft – ohne umfassende Einbindung in den Masterplan Mobilität. Und unter dem Strich bleibt die Einsparung beim Behindertenfahrdienst um 43 % im Memorandum stehen. Wir sind gespannt darauf, wie Sie diese Widersprüche der Öffentlichkeit erklären wollen.
Wir GRÜNE dagegen halten daran fest: Wir wollen einen Behindertenfahrdienst, der auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten ist und ihnen Mobilität und damit Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Qualitätseinbußen sind für uns nicht hinnehmbar. Die 600.000 Euro Einsparung haben in der Memorandumsliste deshalb nichts zu suchen.
Das Memorandum der Großen Koalition
Aber die Memorandumsliste der Verwaltung scheint unantastbar zu sein. Es hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass SPD und CDU Gefangene dieses Haushaltsmemorandums sind. Ein Memorandum, das vor zwei Jahren von SPD, CDU und Oberbürgermeister mit der Zielsetzung auf den Tisch gelegt worden ist, strukturell 15 Mio. Euro pro Jahr im Haushalt einzusparen. Eine Zielsetzung, die in ihrer Pauschalität ihre Tücken und vor allen Dingen gravierende Auswirkungen hat. Denn jetzt zeigt sich, dass anscheinend mangels anderer Vorschläge auch soziale Maßnahmen in die Memorandumsmühle geraten.
Dazu gehört neben dem Behindertenfahrdienst auch die Umlage für den Landschaftsverband. Im Memorandum – das ja anscheinend sakrosankt ist – stehen immer noch Einsparungen von 4 Mio. Euro, die hatten sich aber schon zum Zeitpunkt der Sitzung des Finanzausschusses in zusätzliche Belastungen von 8,3 Mio. Euro verwandelt – das entspricht einem Umlagesatz von 17,2 %. Nun sind wir noch einen Schritt weiter: Die große Koalition im LWL hat jetzt einen Umlagesatz von 17,4 % beschlossen. Wie sich das mit 4 Mio. Euro Einsparung verträgt, wissen wir jetzt: Die weitere Erhöhung um 2,3 Mio. Euro wird einfach ignoriert. Dabei muss klar sein: Wer die Umlage „kleinarbeitet“, arbeitet auch die Leistungen für Menschen mit Behinderung „klein“.
Schwerpunkt: Umweltfreundliche Mobilität
Meine Damen und Herren, wenden wir uns nach den Niederungen der Memorandumsliste einem anderen Problem zu, das letztlich zukunftsentscheidend ist, auch wenn viele das noch nicht verstanden haben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Zahl nennen, die nur auf den ersten Blick nichts mit dem Haushalt zu tun hat. Diese Woche lag der höchste gemessene Stickstoffdioxid-Wert in NRW an der Brackeler Straße bei 213 µg pro m³ Luft. Gleich dahinter kam der Messpunkt an der Steinstraße mit 187 µg. Der Grenzwert liegt bei 40 (!) µg. Die Werte sind ein deutliches – und leider dauerndes – Alarmzeichen! Die Luftqualität ist an zu vielen Stellen in Dortmund nach wie vor äußerst schlecht. Das ist nicht trivial: Wird Stickstoffdioxid über längere Zeit in solchen Konzentrationen eingeatmet, kommt es zu gesundheitlichen Schäden bis hin zu Lungenödemen. Ursache für die hohen Werte ist der weiter zunehmende Autoverkehr – da sind sich alle Fachleute einig.
Wir brauchen deshalb in Dortmund dringend ein Umdenken, was die Mobilität angeht – weg von den immer größeren, leistungsstärkeren Autos mit Verbrennungsmotor – die eben nicht sauber sind, das haben uns die Abgasskandale immer wieder gezeigt – hin zu einer gezielten, umfassenden Förderung umweltverträglicher, zukunftsweisender Mobilität. Neben der Integration der zu uns gekommenen Menschen ist das unser zweiter Schwerpunkt für die Zukunft.
Wir wollen ein deutliches Zeichen für den Radverkehr setzen und diesen Bereich auch in der Verwaltung personell stärken. Schrittweise wollen wir die Zahl der Fahrradstraßen in Dortmund bis 2020 auf mindestens 50 erhöhen. Dafür braucht man nicht mal besonders viel Geld, zumal die Mittel aus der Stellplatzablöse genau für solche Maßnahmen bereitstehen.
Dasselbe gilt für die 12 Mobilitätsstationen, die wir in einem ersten Schritt schaffen wollen. Damit könnten Fahrradabstellanlagen, E-Bike-Ladestationen, Carsharing, Leihfahrradstandorte und ÖPNV-Anschluss klug miteinander verknüpft werden – auch durch eine sinnvolle digitale Vernetzung unterschiedlicher Angebote.
Es ist vollkommen unverständlich, dass die Ratsmehrheit von SPD und CDU nicht einmal diese Anträge unterstützen kann. Die inhaltliche Notwendigkeit ist offensichtlich – sogar die Finanzierung wäre gesichert.
Was sollen wir aus dieser Ablehnung schließen? Vielleicht dasselbe, wie aus dem Umgang mit unserem 2016 mehrheitlich beschlossenen Antrag, 600.000 Euro zusätzlich für Radwege bereitzustellen. Es ist bezeichnend, dass die zuständige Fachverwaltung von diesem Ratsbeschluss gar nicht erfahren hat und deshalb auch nichts passiert ist. Dazu passt die aktuelle Diskussion um den fehlenden Winterdienst auf den Radwegen. Während die Stadt nach außen den Eindruck vermittelt, als sei beim Thema Radverkehr alles Hui, liegt doch vieles nach wie vor im Argen und beim Pfui.
Das Versagen der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, der OB und der Kämmerer haben bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes vor wenigen Wochen deutlich gemacht, wie gut es ist, wenn die Stadt weiterhin finanziell handlungsfähig ist. Und damit haben sie Recht.
Ja, der Haushalt 2017 ist auf den ersten Blick erneut genehmigungsfähig. Ja, es werden auch Projekte und Maßnahmen abgesichert, die aus grüner Sicht wichtig sind. Gleichzeitig muss man aber auch festhalten: Es besteht kaum Spielraum, um politische Zeichen für die Zukunft zu setzen. Umso wichtiger, dass es jetzt die richtigen Zeichen sind.
Hier im Raum sind wir uns wahrscheinlich alle einig, dass die Finanzierung der Kommunen durch das Land, insbesondere aber durch den Bund, nach wie vor vollkommen unzureichend ist. Wir teilen deshalb ausdrücklich die Kritik, die sich dazu auch in anderen Anträgen findet.
Wer, wie Dortmund, mit einem guten Konzept die Aufnahme von geflüchteten Frauen, Kindern und Männern, von unbegleiteten Minderjährigen und traumatisierten Menschen organisiert und gestaltet, der muss entlastet werden. Doch obwohl gerade die Kommunen die Stütze bei der Aufnahme und Integration von Geflüchteten sind, fehlt die komplette Übernahme der dabei entstehenden Kosten. Das ist eindeutig kein Problem der zu uns geflüchteten Menschen. Während der Bundesfinanzminister auf den Milliarden sitzt und der schwarzen Null im Bundeshaushalt huldigt, wissen viele Kommunen insbesondere im Ruhrgebiet nicht, wie sie handlungsfähig bleiben sollen.
Dazu passt auch, dass die von der Bundesregierung seit 2013 versprochenen 5 Mrd. Euro Entlastung der Kommunen nicht vor 2018 realisiert werden sollen – wenn überhaupt.
Und damit nicht genug. In Dortmund leben über 30 % Kinder und Jugendliche in Familien, die Sozialleistungen beziehen. Die Tendenz ist steigend. Bis heute gibt es keine eigenständige und armutsfeste Kindergrundsicherung. Auch hier trägt der Bund die Hauptverantwortung. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in unserer Stadt ist inzwischen auf 45.000 gestiegen. Insbesondere zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit muss die strukturelle Unterfinanzierung der Jobcenter beseitigt und die Kürzung von Eingliederungsmitteln zurückgenommen werden.
Und, um es nicht zu vergessen, notwendig ist auch die dauerhafte 100%ige Finanzierung der Stellen der Schulsozialarbeit durch den Bund. Es ist eine gute Nachricht, dass die rot-Grüne Landesregierung sich an der Finanzierung nun bis Ende 2018 beteiligt.
Von EAE bis RWE: Kommunalpolitische Fehlentscheidungen
Doch bei aller Kritik an Land und insbesondere am Bund: Auch hier vor Ort in Dortmund wurden in der Vergangenheit folgenreiche Fehlentscheidungen getroffen, die sich jetzt negativ auf unsere Haushaltssituation auswirken.
Die größte politische Fehlentscheidung von SPD und CDU war in diesem Jahr die Ablehnung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge.
Ein mutiger Beschluss im Frühjahr für eine neue EAE samt Bundesamt für Flucht und Migration hätte auch die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund erhalten – da nützt jetzt alles Klagen im Nachhinein nichts. Die Verwaltung hat erst vor Kurzem aufgelistet, was diese Fehlentscheidung für unsere Stadt bedeuten kann. Durch die Schließung der EAE können Personalmehrkosten in Höhe von 940.000 Euro für das Jahr 2017 entstehen. Dazu kommen Kosten durch den bis 2021 laufenden Mietvertrag für Hacheney und noch einmal bis zu 1,8 Mio. Euro, da es wegen der Schließung der EAE keine Anrechnung mehr auf die Zuweisung von Flüchtlingen an die Stadt gibt.
Das sind die konkreten Auswirkungen Ihrer kommunalpolitischen Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU. Dabei war das beileibe nicht die einzige kritische Weichenstellung in den vergangenen Jahren, die finanzielle Auswirkungen haben könnte oder bereits hat.
Das Festhalten an RWE zahlt sich nicht mehr aus, und auch für die STEAG sind die wirtschaftlichen Aussichten düster. Auch wenn sich das nicht direkt auf den Haushalt auswirkt, hat es gravierende Folgen für die unter anderem durch den Flughafen gebeutelten Stadtwerke als 100 %ige Tochter der Stadt. Gleichzeitig bleiben die erhofften Effizienzgewinne durch eine strukturelle Neuorganisation der Verwaltung ebenso hinter den Erwartungen zurück, wie Fortschritte in der Personalentwicklung. Seit vielen Jahren, immer und immer wieder, haben wir Grüne hier Veränderungen angemahnt und eingefordert.
Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammengefasst bedeutet das alles für uns Grüne: Eine Zustimmung zum Haushalt 2017 ist für uns unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!