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Thema:  Soziales

GRÜNE fordern soziale Task-Force für die Nordstadt

Der Rat der Stadt hat am 31. März beschlossen, den Straßenstrich an der Ravensberger Straße zu schließen und eine für das gesamte Stadtgebiet umfassende Sperrgebietsverordnung zu erlassen. Am 2. Mai ist die Verordnung in Kraft getreten. Fast acht Wochen später sehen sich die GRÜNEN im Rat und die GRÜNEN der Innenstadt-Nord in ihren sozialpolitischen Befürchtungen sowie in der rechtlichen Bewertung der Verordnung betätigt.

Ulrich Langhorst, Ratsmitglied und sozialpolitischer Sprecher der GRÜNEN Ratsfraktion: „Vordergründig sorgt die Sperrgebietsverordnung für Ruhe in der Nordstadt. Aber die Ruhe ist trügerisch. Denn hinter den Kulissen sind Armut, soziale Notlagen, Prostitution, schlechte Wohnverhältnisse und Zuwanderung nicht verschwunden. Für die ordnungsrechtliche Kontrolle der Verordnung ist umgehend eine Task-Force Nordstadt gegründet und mit Personal ausgestattet worden. Bei den notwendigen sozialen Maßnahmen sieht das ganz anders aus. Wir fordern deshalb umgehend die Einrichtung einer Sozialen Task-Force in der Verwaltung, die sich permanent mit der Verbesserung der Lebenssituation in der Nordstadt beschäftigt sowie ein Konzept zur Verstetigung der bisherigen URBAN-II -Projekte in der Nordstadt erarbeitet. Die bisher vorgelegte Bestandsaufnahme der Verwaltung reicht hier bei weitem nicht aus.

Vorrangig ist für uns GRÜNE die Erarbeitung eines Integrationskonzeptes für diejenigen Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die dauerhaft hier leben möchten. Unser Antrag auf Erarbeitung eines solchen Konzeptes ist im März von CDU und SPD abgelehnt worden. SPD und CDU scheinen zu hoffen, dass sich das „Problem“ der Zuwanderung mit der Sperrgebietsverordnung nun von selber löst. Das Gegenteil ist der Fall, wie der zunehmende Bedarf an Auffangklassen für die Kinder aus bulgarischen und rumänischen Familien zeigt. Wir erwarten, dass der Oberbürgermeister, der den Bereich der Integration zur Chefsache gemacht hat, eine eindeutige Initiative zur Erarbeitung eines wirksamen Integrationskonzepts ergreift. Die jetzt geführten Gespräche mit dem Land reichen da bei weitem nicht aus.“

Christopher Welwert, Ortsverband Innenstadt-Nord: „Die SPD hat seit mehr als sechzig Jahren maßgeblich die Entwicklung und Zustände in der Nordstadt zu verantworten. Es ist deshalb ein Hohn, wenn gerade SPD-Ratsmitglied Frau Dr. Hetmeier davon spricht, dass soziale Randgruppen und Migranten in der Nordstadt alleine gelassen werden. Dieselbe Frau Dr. Hetmeier hat noch vor wenigen Wochen zusätzliche sozialarbeiterische Maßnahmen in der Nordstadt als eine Unterstützung von Zwangsprostitution abgelehnt. Das betrifft auch den Alkoholkonsumraum. Er ist für uns nach wie vor nicht die Lösung aller Probleme, aber ein Baustein zur Verbesserung der Situation gerade um den Nordmarkt herum. In Kiel hat ein solcher Raum dafür gesorgt, dass vorher durch alkoholisierte Menschen genutzte Plätze nun wieder für alle nutzbar sind. Dass die Umsetzung des Alkoholkonsumraumes so schwierig ist, hat maßgeblich auch damit zu tun, dass die SPD in einer unerträglichen Art und Weise von Beginn an dagegen polemisiert hat und das weiterhin tut. Dass sich bei einer solchen Stimmungsmache Träger nicht ermutigt fühlen, sich für den Betrieb zu bewerben, ist doch klar. Die SPD ist in ihrer Ablehnung des Raumes allerdings schizophren. Denn wenn alle bisherigen Maßnahmen greifen würden, wieso fordert die SPD dann gleichzeitig ein umfassendes Alkoholverbot? Im Übrigen liegt die Vergabe der Trägerschaft für den Alkoholkonsumraum seit dem 1. Januar nicht mehr in der Verantwortung von Ordnungsdezernent Wilhelm Steitz, sondern in den dafür zuständigen Ämtern von Herrn Lürwer sowie bei der Bezirksregierung. Als Ortsverband begrüßen wir, dass die Ratsfraktion für den nächsten Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien eine Berichterstattung über die Vergabe beantragt hat und fordern die Beschleunigung des Vergabeprozesses.“

Ulrike Märkel, Ratsmitglied der GRÜNEN: „Wer geglaubt hat, dass die Straßenprostitution mit der Schließung der Ravensberger Straße verschwunden ist, der hat sich getäuscht. Der Straßenstrich ist da, allerdings hat sich die soziale Situation der Prostituierten verschlechtert. Viele AnwohnerInnen der Nordstadt berichten davon, dass Straßenprostitution auch weiterhin stattfindet, allerdings verdeckt in Wohnungen oder Gaststätten. Das macht die Arbeit für die Frauen schwieriger und gefährlicher. Nach unseren Informationen ist es inzwischen vermehrt zu Gewaltanwendungen gekommen, die aber nicht zur Anzeige gebracht werden. Polizei wird zunehmend nicht mehr als Helfer und Vertrauter, sondern als reine Kontrollinstanz wahrgenommen. Die Besonderheit des Dortmunder Modells mit dem legalen Strich ist damit zerstört. Besonders schwierig ist die Situation für Frauen geworden, die im Rahmen von Beschaffungskriminalität tätig sind, um Geld für ihre Drogensucht zu verdienen. Sie sind auf die Straße als Arbeitsplatz angewiesen und lassen sich auch nicht durch Kontrollen und Ordnungsgelder davon abhalten. Insbesondere für diese Gruppe der Frauen ist ein besonderes Hilfsangebot überlebenswichtig. Die Beratungsarbeit vor allem von KOBER ist schwieriger und unübersichtlicher geworden. Für Beratungsgespräche bleibt aufgrund der permanenten Kontrollen kaum Zeit. Gleichzeitig ist es zu einer Verdrängung in andere Städte gekommen. Das alles zeigen auch die unterschiedlichen Berichterstattungen in der Presse:

• Ruhrnachrichten, 15.06 2011, “Mit Oma Bonke durchs Viertel” „Worüber schimpfen die?“ „Darüber, dass das hier jetzt wieder so eskaliert ist. Seitdem der Strich wieder zu ist. Jetzt fängt das wieder mit den Autofahrern an, die hier alles umkurven und Prostituierte suchen.“

• Ruhrnachrichten, 26.05 2011, „Ist Prostitution zurück im Wohngebiet?“ In ihren Wohngebieten zwischen Nordstraße, Heroldstraße, Schleswiger Straße und einem Kaufhaus-Parkplatz werde seit der Strich-Schließung vor zehn Tagen wieder Straßenprostitution betrieben – trotz der Arbeit der eingerichteten Task-Force. Seit es die Debatte um eine mögliche Schließung des Straßenstrichs gegeben hätte, seien die ersten Frauen wieder dort anschaffen gegangen, sagt Matthias Meyer, der seit Ende der 90er Jahre in der Nordstadt lebt. Nach der Schließung des Strichs sei der Zulauf in sein Wohngebiet stetig gestiegen. Tagsüber seien permanent drei bis vier Frauen unterwegs, bei ihnen handele es sich um Drogenabhängige und Frauen aus Bulgarien. In seiner Nachbarschaft kenne er kaum jemanden, der sage, dass sich der Zustand durch die Schließung verbessert habe. „Mit der Schließung wurde es sich zu einfach gemacht“, sagt Meyer und zeigt aus dem Fenster seines Büros, vor dem gerade ein Mann von einer Frau angesprochen wird. Der Mann schüttelt den Kopf, die Frau läuft weiter. Um seine Vorwürfe dokumentieren zu können, hat Meyer in den letzten Tagen einige Anbahnungsgespräche dokumentiert.

• 04.06.2011 „Zwei Stunden Nordstadt live“ Auf einem Randstein an der Missundestraße sitzt Sabina (33), eine Prostituierte. Seit dem 16. Mai hat sie über 20 Platzverweise kassiert. Sie braucht 60 bis 70 Euro pro Tag für Heroin. „Mir bleibt nichts anderes, als anzuschaffen“, sagt sie. 100 Meter weiter wartet eine Kollegin auf einen Freier, fünf Minuten später fährt ein Polizeibus vor. Die Frauen verschwinden.

• Hier und Heute, 01.06.2011 “Essen kämpft gegen Zuzug von Dortmunder Prostituierten” "Die wohl bundesweit einmalige Ausweitung des Sperrbezirks in Dortmund auf das gesamte Stadtgebiet einer Großstadt hat seit dem 15. Mai 2011 zu einer Verdrängung der Prostituierten geführt", begründet die Polizei die Razzia in einer Mitteilung. Einige Prostituierte aus Dortmund haben sich offenbar bereits in Essen niedergelassen. Polizei und die Essener Stadtverwaltung wollen nun "konsequent und frühzeitig" handeln, "um dauerhafte problematische Entwicklungen in Essen zu verhindern".

Die GRÜNEN sehen sich in ihrer bisherigen Positionierung auch durch juristische Argumente bestätigt.

Nach der geltenden Rechtsgrundlage für eine Sperrgebietsverordnung kann eine solche Verordnung nur ergehen, soweit diese zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands erforderlich ist. Fraglich ist deshalb, ob das Ziel der Eindämmung des weiteren Zuzugs von Personen aus Bulgarien und Rumänien und die Beseitigung eventueller krimineller Begleiterscheinungen zur Begründung einer Verordnung herangezogen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus in einem Beschluss von 28. April 2009 dargestellt, dass die Ausübung der Prostitution nicht per se den öffentlichen Anstand gefährdet oder jugendgefährdend ist. Auch die räumliche Lage der Ravensberger Straße spricht gegen eine Verordnung. Eine Wohnbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft ist dort nicht vorhanden, sondern befindet sich deutlich jenseits des Straßenstrichs. Zusätzlich ist fraglich, ob die von der Stadt in ihrer Begründung der Verordnung angeführte Zahl von 700 Prostituierten haltbar ist. Auch bei der in der Begründung angeführten Befürchtung einer weiteren Ausweitung der Prostitution in Wohngebiete hätte es einer Darlegung bedurft, ob nicht gezielte weitere Maßnahmen langfristig die gewünschte Wirkung gezeigt hätten. Insofern könnte ein Gericht zu der Einschätzung kommen, dass die komplette Schließung unverhältnismäßig ist. Schließlich ist auch aus juristischer Sicht die einschneidende Wirkung auf die betroffenen Frauen in den Blick zu nehmen. Die Ausübung der Prostitution ist nur noch in Bordellen, der Wohnungsprostitution oder illegal möglich. Das setzt die Frauen einer besonderen Gefahr körperlicher Übergriffe aus. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht die aus unserer Sicht unverhältnismäßige Maßnahme der kompletten Schließung des legalen Straßenstrichs bewertet. Unabhängig von dem juristischen Verfahren bleiben wir aber dabei, dass auf längere Sicht mehr Probleme erzeugt als gelöst werden.

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