Drogenpolitischer Vorstoß durch die Ordnungsdezernentin
Bereits im September 2017 schlug die damalige Ordnungsdezernentin Diane Jägers die Schaffung eines weiteren Konsumraums im Dortmunder Norden vor, in dem hochgradig abhängige Menschen ihre harte Drogen konsumieren können. Diese Überlegungen haben wir GRÜNE begrüßt, auch wenn uns klar war, dass ein zusätzlicher neuer Konsumraum zu großen öffentlichen Diskussionen führen würde. Denn gerade der Standort ist eine sensible und wichtige Frage, die mit der gebotenen Rücksichtnahme auf Bewohner*innen und vorhandene Strukturen geklärt werden muss. Wenn es aber die Notwendigkeit gibt, dann darf ein Drogenkonsumraum an der Frage des Standorts nicht scheitern.
Vor diesem Hintergrund haben wir im letzten Jahr einen Sachstandsbericht und eine Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit von zusätzlichen Möglichkeiten für den Drogenkonsum beantragt, die die Verwaltung in Abstimmung mit den in der Drogenhilfe tätigen Akteur*innen sowie mit dem Ordnungsdezernat vorlegen sollte.
Ansatz geht nicht weit genug
Der nun im Sozialausschuss diskutierte neue Ansatz zur Weiterentwicklung des Drogenhilfesystems geht uns GRÜNEN nicht weit genug. Denn die Verwaltung lehnt in ihrem Konzept die Schaffung jeglicher Möglichkeiten ab, in der Nordstadt Drogen in einem zusätzlichen geschützten Raum außerhalb der Öffentlichkeit zu konsumieren. Dabei wird der vorhandene Drogenkonsumraum am Eisenmarkt von Konsument*innen aus der Nordstadt offensichtlich wenig genutzt und platzt darüber hinaus aus allen Nähten.
Zusätzliche geschützte Konsummöglichkeiten? Abgelehnt!
Als vor 15 Jahren dieser sogenannte „Druckraum“ neben dem Café Kick von der AIDS-Hilfe im Gesundheitsamt eröffnet wurde, gab es massive Widerstände. Dabei sorgt diese Möglichkeit des Konsums in einem geschützten Raum mit dafür, dass in Dortmund entgegen dem bundesweiten Trend weniger Abhängige an Drogen sterben. So gesellschaftlich umstritten solche Räume zum Konsum harter und weicher Drogen sind, sie dienen dem Überleben. Drogenabhängige haben dadurch einen festen Anlaufpunkt, an dem sie sicher, hygienisch und unter ärztlicher Aufsicht ihre Drogen konsumieren können, statt sich in Hauseingängen oder Hinterhöfen zu verstecken. Zusätzlich werden Spritzen und Kanülen gezielt gesammelt und entsorgt, statt auf Spielplätzen oder anderen Orten herumzuliegen. Die Räume nutzen also auch dem Stadtteil und der gesamten Stadt.
Die Erfahrung zeigt, dass der vorhandene Raum aus dem Hilfesystem unserer Stadt nicht mehr wegzudenken ist. Die Notwendigkeit eines weiteren Raumes ist in den letzten Jahren immer wieder mal diskutiert, aber genauso oft wieder verworfen worden. Das lag vor allem an der Frage des möglichen Standorts. In der Diskussion war vor allem eine weitere Konsummöglichkeit in der Dortmunder Nordstadt. Dass Drogen vor allem dort offen konsumiert werden, bestätigte auch der Sachstandsbericht „Drogenproblematik im öffentlichen Raum“. Darin beschreibt das Ordnungsamt, wie krass sich die momentane Situation im Norden darstellt: Auf Spielplätzen, auf öffentlichen Straßen und Plätzen, in Grünanlagen oder in Hauseingängen werden weiche und harte Drogen sichtbar konsumiert und gehandelt.
Zur Vorlage Konzeptionelle Weiterentwicklung des Dortmunder Drogenhilfesystems haben wir deshalb in einem Ergänzungsantrag gefordert, dass einer der in der Nordstadt geplanten neuen Tagesaufenthalte für Drogenabhängige als „Tagesaufenthalt plus“ mit Wasch- und Konsummöglichkeiten für Drogen ausgestattet wird. Das wurde von der Mehrheit von SPD und CDU abgelehnt.
Diamorphin-Programm? Geschoben!
Mit einem zweiten Ergänzungsantrag wollten wir Gespräche mit in Dortmund niedergelassenen Ärzt*innen initiieren, die den Betrieb einer Diamorphinambulanz zum Ziel haben.
Nach einem vorgeschalteten Heroinmodellprojekt ist die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung seit 2010 zulasten der gesetzlichen Krankenkassen möglich. Sie fällt damit in den Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung und nicht in den pflichtigen Aufgabenbereich des Gesundheitsamtes.
Insbesondere für die hochgradig drogenabhängigen Frauen, die seit Jahren und ohne Perspektive in der Nordstadt der Prostitution nachgehen, wäre ein Diamorphin-Programm eine Möglichkeit, den Teufelskreis aus Sucht und Prostitution zu durchbrechen oder zumindest abzumildern. In einem Gespräch der GRÜNEN Fraktion mit der Mitternachtsmission erfuhren wir viel über die schwierige Situation hochgradig süchtiger, meist deutscher Prostituierter. Die ca. 80 Frauen, von denen nach Aussage der Verwaltung regelmäßig bis zu 35 auf den Straßen anzutreffen sind, finanzieren über die Prostitution ihre Sucht. Viele von ihnen befinden sich in einer schwierigen gesundheitlichen Situation, die sich durch den hohen Kontrolldruck nach der Schließung des Straßenstrichs erheblich verschärft hat. Auch Strafverfahren und Freiheitsstrafen führten in der Regel jedoch nicht zu einem Ausstieg aus Prostitution und Sucht. Gerade diese Frauen zeigen, wie wenig repressive Maßnahmen helfen. Unser Antrag wurde vom Sozialausschuss an die Dortmunder Gesundheitskonferenz zur weiteren Beratung überwiesen.
Zusätzliche Plätze im vorhandenen Drogenkonsumraum – Verwaltung übernimmt GRÜNEN Vorschlag
Begrüßenswert ist aus unserer Sicht, dass der bereits vorhandene Drogenkonsumraum am Eisenmarkt kurzfristig mehr Plätze für den inhalativen Konsum von Drogen bekommt, um den dortigen großen Bedarf besser bewältigen zu können. Der Vorschlag der Verwaltung hat allerdings einen faden Beigeschmack. Denn noch im Dezember war ein gleichlautender Antrag der GRÜNEN Fraktion von der Verwaltung und der politischen Mehrheit von SPD und CDU abgelehnt worden. Es kommt eben auch in Dortmund immer darauf an, wer etwas beantragt. Schade.
Unser Fazit: Das neue Konzept der Drogenhilfe wäre noch besser, wenn die GRÜNEN Anträge mit aufgenommen worden wären. Letztlich haben wir dem Papier der Verwaltung dennoch zugestimmt, weil es trotzdem gute Maßnahmen über die bisherigen Angebote hinaus enthält.