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Thema:  Haushalt + Finanzen

Art: Haushaltsrede

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rede zum Haushalt 2016

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,

es ist noch keine zehn Monate her, dass wir das letzte Mal hier im Ratssaal über den Haushalt der Stadt beraten haben. Aber wie sehr hat sich die Situation in Dortmund seitdem verändert.

Die Bilder, die uns aus den letzten Monaten in Erinnerung bleiben werden, sind die Bilder der großen Solidarität und Hilfsbereitschaft, mit der hier in Dortmund Flüchtlinge empfangen worden sind und noch empfangen werden. Wer im September bei der Ankunft der ersten Flüchtlingszüge am Hauptbahnhof oder im Keuning-Haus mit dabei war, der konnte erleben, zu was eine Stadt in der Lage ist, wenn das große Engagement vieler Freiwilliger auf gut koordinierte hauptamtliche Arbeit trifft. Dortmund hat mit diesem Willkommen gezeigt: So geht Flüchtlingshilfe! Das hat weit über die Grenzen Dortmunds hinaus Maßstäbe für den Umgang mit Flüchtlingen gesetzt.

Unser Dank geht deshalb an die vielen Bürger*innen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren – sowohl in den Einrichtungen, als auch in der Betreuung von Flüchtlingen, die bereits in eigenen Wohnungen leben. Oft jedoch finden Hel fer*innen nach wie vor keine oder nicht die richtigen Ansprechpartner*innen. Wir GRÜNE wollen deshalb, dass die Verwaltung gemeinsam mit den Organisationen der Flüchtlingshilfe ein Konzept zur besseren Koordinierung der ehrenamtlichen Arbeit erstellt.

Unser großer Dank geht auch an die vielen Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, bei den städtischen Töchtern und in den Unterkünften. Sie sorgen mit großem persönlichem Einsatz dafür, dass diese Mammutaufgabe bewältigt wird.

Inzwischen leben mehr als 5500 Flüchtlinge als neue Mitbüger*innen in unserer Stadt. Viele von ihnen bereits in eigenen Wohnungen, zu viele aber noch in Gemeinschaftsunterkünften oder Notbehelfen. Und es werden auch im nächsten Jahr weiterhin Menschen zu uns kommen, die vor Not, Verfolgung und Krieg in ihrer Heimat zu uns flüchten.

Das ist eine Herausforderung für Dortmund. Aber wir GRÜNE sagen ganz klar: Das ist vor allem eine riesige Chance für Dortmund.

Durch die Flüchtlinge verändert sich die Stadt. Sie wird größer, stärker und bunter. Von den Fähigkeiten und Fertigkeiten der zu uns kommenden Menschen profitiert die gesamte Gesellschaft.

Damit das optimal gelingt, brauchen wir vielfältige Maßnahmen, um alle Menschen in Dortmund zu integrieren. Dafür setzen wir GRÜNE uns ein, das ist der Schwerpunkt GRÜNER Politik in Dortmund. Und auch weil es uns gelungen ist, notwendige Maßnahmen zur Integration für 2016 zu verankern, tragen wir in diesem Jahr den Haushalt mit.

Vor zwei Wochen wurde der Dortmunder Integrationspreis an das Projekt „Ankommen“ verliehen, das sich um die Betreuung von Flüchtlingen in eigenen Wohnungen kümmert. Diese Preisverleihung war eine gute und weise Wahl, denn sie macht deutlich, wohin die Reise nach der Erstaufnahme führen muss: Es geht darum, dass die Flüchtlinge hier ankommen, dass sie die Sprache lernen, dass sie ihre Ängste und Traumata überwinden, dass sie Arbeit finden, zur Schule gehen, studieren.

Deshalb ist es gut, dass auf unseren Antrag heute beschlossen wird, dass der bisherige Ausbau der Kinderbetreuung verstärkt fortgesetzt wird, denn eine gelungene Integration fängt schon bei den Kleinsten an. Schon jetzt fehlen Plätze für unter dreijährige Kinder, in einigen Stadtbezirken aber auch für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt.

Jedes Kind, egal ob es aus Aplerbeck oder Afghanistan, Brackel oder Botswana, der Innenstadt oder dem Irak, aus Sölde oder Syrien oder woher auch sonst kommt, hat einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Wir GRÜNE stehen dafür, dass die ser Rechtsanspruch auch zeitnah erfüllt wird. Die Verwaltung muss das mit einer Überarbeitung der Jugendhilfeplanung berücksichtigen.

Mit unserem Haushaltsantrag haben wir außerdem verankert, dass als Übergangs- und Brückenlösung kurzfristig und unbürokratisch Möglichkeiten für flexible Betreuungsangebote geschaffen werden, zum Beispiel in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften. Dafür werden die benötigten Mittel im Haushalt 2016 zur Verfügung gestellt. Das ist für uns GRÜNE ein wichtiger Punkt.

Darüber hinaus halten wir mit dem Haushaltsbeschluss und unserem Antrag auch fest, dass wir dringend ein Konzept zur Zukunft der Schulen benötigen. Während wir vor Kurzem noch die Zusammenlegung und Schließung von Schulen diskutiert haben, geht es im Sinne der frühen Integration nun um einen sinnvollen und qualitätsvollen Ausbau der Schulen für alle.

Viele Flüchtlinge mussten zu Hause und auf der Flucht unvorstellbares Leid erfahren. Deshalb müssen wir in den nächsten Wochen die notwendige Diskussion über ein psychosoziales Zentrum als Beratungs- und Therapieeinrichtung für traumatisierte Flüchtlinge führen und auch die Gesundheitsversorgung insgesamt einfacher gestalten durch die Einführung einer bundesweiten Gesundheitskarte.

Das alles sind Puzzlestücke, die zum Bild einer integrativen Gesellschaft in Dortmund beitragen, zu einer Gesellschaft für alle, nicht nur die neuen Mitbürger*innen.

Eines muss an dieser Stelle aber auch gesagt werden: Bei der Bewältigung dieser Aufgaben lässt insbesondere der Bund die Städte und Kommunen weiterhin an vielen Stellen im Stich. Statt mit Mut und Tatkraft Flüchtlinge zu integrieren und Fluchtursachen zu bekämpfen, handelt die große Koalition auf Bundesebene kurzsichtig, bekämpft sich gegenseitig und produziert an vielen Stellen Chaos. Ein Beispiel dafür ist der Zustand des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. – Wir konnten das alles jüngst in der Zeitung nachlesen.

Die bisherigen Finanzierungszusagen von Bund und Land für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge decken nach wie vor nicht die Kosten. Wir GRÜNE – und da sind wir uns mit den demokratischen Kräften im Rat einig – fordern deshalb Bund und Land erneut auf, die Finanzierung zu 100 Prozent sicherzustellen. Insbesondere der Bund steht in der Pflicht, die zugesagten strukturellen Entlastungen der Kommunen endlich auch umzusetzen.

Es entsteht der Eindruck, dass der Bundesregierung ein ausgeglichener Bundeshaushalt mehr wert ist, als die notwendige Unterstützung der Kommunen. Das ist ein Armutszeugnis.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,

neben all den bereits erwähnten Aspekten hat dieser Haushalt 2016 aber auch eine andere Seite. Ich habe es zu Beginn gesagt, wir werden ihm zustimmen. Begeisterung sieht allerdings anders aus.

Denn dieser Haushalt steht natürlich auch in der Kontinuität der Haushalte der letzten Jahre, die wir nicht mitgetragen haben. Nach wie vor sehen wir an vielen Stellen nicht, dass es die dringend nötigen tiefgreifenden und strukturellen Veränderungen in der Verwaltung gibt, die den Haushalt solider machen und damit die Handlungsfähigkeit der Stadt vergrößern. Und das in einer Situation, in der wir seit Langem nur wenige Millionen Euro von der Haushaltssicherung entfernt sind.

Auch das von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und CDU, im letzten Jahr initiierte Memorandum hat bislang nicht weitergeholfen. Und wenn Sie ehrlich sind, dann wissen Sie das auch. Die angemahnten strukturellen Veränderungen hat es in dem von ihnen geforderten Ausmaß nicht gegeben – im Gegenteil.

Einige der von der Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen fallen ja durch die heutigen Beschlüsse schon wieder heraus – zum Glück, wenn man an die ursprünglich geplante Schließung des Café Berta denkt. Statt substanzieller Beiträge zu einer Neuorganisation und Neustrukturierung gibt es an vielen Stellen eher heiße Luft. Die Verwaltung bezeichnet in ihrer Vorlage zum Memorandum den vorgelegten Maßnahmenkatalog als ein „atmendes System“. Uns scheint es eher, als habe das System Atemnot und käme kaum von der Stelle.

Ich möchte an dieser Stelle deshalb auch eines festhalten: Ihr Haushalts-Memorandum ist nach wie vor nicht unser Memorandum. Deshalb werden wir auch der Fortschreibung der Memorandums und der entsprechenden Vorlage heute nicht zustimmen. Wie wenig ernst es Teilen des Rates mit einer notwendigen Umstrukturierung der Verwaltung ist, konnte man in den Beratungen des Finanzausschusses erleben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD,

es ist doch relativ unbegreiflich, wenn Sie in ihrem eigenen Memorandum einen strukturellen und dauerhaft wirksamen Veränderungsprozess befürworten, andererseits dann aber GRÜNE Anträge ablehnen, die genau das beinhalten, zum Beispiel ein demografisches Controlling, ein effizientes Personalentwicklungskonzept, ein transparentes Kosten- und Prozesscontrolling und nicht zuletzt das Ausloten von möglichen Kooperationen zwischen der Stadt und ihren Töchtern zur Aufwandsreduzierung.

Wir waren und sind nach wie vor der Auffassung, dass wir nicht daran vorbeikommen werden, Strukturen in der Stadt und in der Verwaltung selbst zu verändern, um zusätzli che finanzielle Möglichkeiten zu schaffen, ohne dass sich die Lebensqualität in unserer Stadt dadurch verschlechtert.

Deshalb haben wir unter anderem beantragt, dass der Prozess der Neuordnung der Stadtbezirke definitiv 2016 beginnt, damit wir die Ergebnisse rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2020 vorliegen haben, bewerten und umsetzen können. Es ist gut, dass es wenigstens hierfür eine Mehrheit gibt. Und zu all den strukturellen Notwendigkeiten kamen und kommen politische Fehlentscheidungen, die uns finanziell jetzt ins Kontor schlagen.

Wir entscheiden später in dieser Sitzung über den Ausstieg aus dem Kohlekraftwerk GEKKO. Ein Projekt, das schon bei der Beschlussfassung hier im Rat vor inzwischen acht Jahren klima- und energiepolitisch falsch war. Es hat darüber hinaus auch zu einem Gesamtverlust von 100 Millionen Euro bei der DEW 21 und damit letztlich der gesamten Stadt geführt. Geld, das wir an anderer Stelle gut gebrauchen könnten. Zum Beispiel für den schnelleren Ausbau regenerativer Stromerzeugung, aber auch für Verbesserungen bei Bussen und Bahnen oder in Kitas und Schulen.

Es ist, glaube ich, nicht wirklich falsch zu sagen, dass der damalige politische Beschluss eher aus der traditionell engen Verbindung zu RWE statt aus Fürsorgepflicht für die Stadt entstanden ist, eine Verbindung, die wir aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen für problematisch halten – sei es wegen der immer weiter erhöhten Aktienbeteiligung, aber auch wegen der Fortführung der Teilhaberschaft an DEW21. Der Schlusstrich, den wir heute unter GEKKO ziehen, ist kein Grund zur Freude – dazu ist er zu teuer. Er ist stattdessen die bittere Konsequenz einer der gravierendsten Fehlentscheidungen der letzten Jahre.

Die Lehre daraus kann nur sein – und ich beziehe uns GRÜNE da ausdrücklich mit ein – dass wir alle noch genauer, noch sorgfältiger hinschauen und entscheiden, welche Projekte unserer Stadt, den Bürgerinnen und Bürgern wirklich nutzen und ihre Lebensverhältnisse verbessern. Und dass wir uns genau überlegen, welche Risiken wir eingehen und welche nicht. Das aktuelle Beispiel dafür wird die rechtssichere Vergabe der Personenbeförderung an die Stadtwerke sein.

Sehr geehrter Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen

Ziel GRÜNER Politik ist es in Dortmund, die ökologische Weiterentwicklung zu beschleunigen und soziale Maßnahmen für alle durchzusetzen. Lassen Sie mich zum Schluss noch drei Beispiele nennen, die in diese Richtung gehen und die heute auch auf unseren Antrag hin mitbeschlossen werden.

Es ist gut, dass die Verwaltung nun zum Vorteil für alle Menschen mit geringem Einkommen verstärkt in den geförderten Wohnungsbau einsteigt. Wir begrüßen das ausdrücklich und haben das mit einem eigenen Antrag zum Haushalt untermauert, der nun im Ausschuss beraten werden wird. Dabei geht es uns GRÜNEN nicht nur um Quantität, sondern um Qualität. Wir wollen eine größtmögliche soziale Mischung der Bewohner*innenstruktur und halten am Vorrang der Innenentwicklung fest. Im Sinne eines nachhaltigen, auch in Zukunft attraktiven Wohnungsbaus sollen alle Kriterien für ein energiesparendes Bauen und ein ökologisches Wohnumfeld erfüllt werden.

Es ist gut, dass wir ein Instrument wie die kommunale Arbeitsmarktstrategie haben, um zumindest einigen der vielen langzeitarbeitslosen Menschen in Dortmund eine Perspektive zu bieten. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung nach wie vor keine Initiativen für einen dauerhaft finanzierten sozialen Arbeitsmarkt ergreiftt. Umso notwendiger ist es, mit den uns hier zur Verfügung stehenden Mitteln zu arbeiten. Unser Antrag auf eine Bestandsaufnahme der kommunalen Arbeitsmarktstrategie und eine Ausweitung der Maßnahmen hat eine Mehrheit gefunden und das ist auch gut so.

Und ein letztes Beispiel:

Zurzeit findet die Weltklimakonferenz in Paris statt. Auch in Dortmund hat es in den letzten Jahren verheerende Überschwemmungen und Stürme mit beträchtlichen Sachschäden gegeben, die Anzeichen und Auswirkungen des Klimawandels sind. Zudem steigt die Schadstoffbelastung der Luft immer wieder über die kritischen Grenzwerte. Uns ist es deshalb wichtig, dass insbesondere der Aspekt der ökologischen Mobilität zumindest punktuell im Haushalt berücksichtigt wird.

Positiv sind deshalb die Gelder für die Fortschreibung des Masterplans Mobilität. Positiv ist auch die Unterstützung für das Metropolrad Ruhr. Und vor allem der kürzlich gefasste Grundsatzbeschluss zum Radschnellweg Ruhr, dem RS 1, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wir freuen uns, dass der Rat mit dem Haushaltsbeschluss feststellt, dass wir mehr Geld für eine bessere Radverkehrsinfrastruktur brauchen. Denn wir alle wissen, dass Radverkehr umweltfreundlich und gesund ist. Und wir alle wissen, dass wir durch eine Verbesserung der Infrastruktur immer mehr Menschen dazu bewegen können, auch im Alltag aufs Rad zu steigen und das angeblich so schadstoffarme Auto stehen zu lassen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,

das Jahr 2015 war auch aus Dortmunder Sicht denkwürdig – ich habe es zu Beginn meiner Rede geschildert. Das Jahr 2016 wird nicht einfacher, es wird uns ebenfalls vor große Herausforderungen stellen. Auch wenn der Haushalt an vielen Stellen unseren Ansprüchen und Anforderungen nicht gerecht wird, ist es uns doch gelungen, GRÜNE Punkte zu verankern. Und dies in einem Haushalt, der insbesondere die Betreuung, Unterbringung und Integration vieler neuer Mitbürger*innen gewährleisten muss. Wir stimmen deshalb in diesem Jahr dem Haushalt zu.

Vielen Dank!

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