1) Der Rat der Stadt Dortmund stellt fest, dass seine Forderung vom 9. November 2006 nach einer Bleiberechtsreglung, die langjährig hier lebenden Flüchtlingen und ihren Familien eine faire Integrationschance gibt, bisher nur in Teilen erfüllt worden ist.
2) Der Rat der Stadt Dortmund spricht sich deshalb gemeinsam mit den beiden großen Kirchen und deren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas sowie ProAsyl und vielen anderen Organisationen und Initiativen für eine gesetzliche Bleiberechtsregelung ohne Stichtag für langjährig geduldete Flüchtlinge und die Begünstigten der bisherigen Altfallregelung aus.
3) Der Rat fordert die politisch Verantwortlichen in den Ländern und im Bund auf, eine fortlaufende Regelung zu schaffen, die auch in Zukunft wirksam bleibt.
4) Die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts müssen dabei so gestaltet werden, dass sie realistisch und erfüllbar sind. Für alte, kranke, traumatisierte und erwerbsunfähige Menschen, die die Anforderungen auf absehbare Zeit nicht werden erfüllen können, muss es eine Härtefallregelung geben. Gleiches gilt für Geringverdienende, bei Qualifizierung, Ausbildung und bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit.
Im Zweifelsfall muss das Bemühen um Arbeit ausreichen.
5) Die Innenministerkonferenz am 8. und 9. Dezember wird aufgefordert, entsprechende Regelungen zu treffen und den örtlichen Ausländerbehörden damit umgehend Handlungsmöglichkeiten zur Erteilung weiterer Aufenthaltserlaubnisse zu eröffnen.
6) Die Verwaltung wird aufgefordert, den Beschluss des Rates an alle politisch Verantwortlichen im Bund und in NRW weiterzuleiten.
Begründung:
Am 8. und 9. Dezember tagt die Innenministerkonferenz der Bundesländer. Vor dem Hintergrund der auslaufenden Regelungen für eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe muss dort endlich eine Bleiberechtsregelung beschlossen werden, die auch denjenigen Menschen, die von der bisherigen unzureichenden Regelung nicht profitieren, eine sichere Perspektive bietet.
Der Rat der Stadt Dortmund und seine Ausschüsse haben sich in der Vergangenheit mehrfach mit dem Thema Bleiberecht beschäftigt und dabei gefordert, eine faire Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge zu schaffen.
Die verschiedenen Altfall- und Bleiberechtsregelungen der vergangenen Jahre haben allerdings nicht zu einer grundlegenden Lösung im Sinne der betroffenen Menschen geführt. Die 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommene, stichtagsgebundene Bleiberechtsregelung und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe haben die weithin kritisierte Praxis der „Kettenduldungen“ nicht wirksam beenden können. Zudem wird diese Regelung am 31. Dezember 2011 auslaufen.
Auch in Dortmund droht damit mehreren hundert Menschen, die bisher ein Bleiberecht auf Probe erhalten haben, der Rückfall in die ungesicherte Duldung. In NRW haben bisher nur ca. 25 Prozent der geduldeten Menschen einen dauerhaften Aufenthaltsstatus nach der Altfallregelung erhalten.
Gründe für die Defizite der bisherigen Bleiberechtsregelungen sind die strikten Ausschlusskriterien, willkürlich festgesetzte Stichtage und überzogene Anforderungen.
Insbesondere an der Bedingung einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung scheitern bisher viele Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, daher müssen die Hürden gesenkt werden. Denn bishergefordert wird nicht nur ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis, sondern auch ein regelmäßiges Arbeitseinkommen in Höhe des Arbeitslosengeldes II. Während fast 1,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland aufstockende Hartz-IV-Leistungen erhalten, wird die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von der vollständigen Lebensunterhaltssicherung abhängig gemacht. Dies sind überzogene und unrealistische Anforderungen. Ernsthafte Bemühungen, den Lebensunterhalt überwiegend zu sichern, müssen ausreichend sein.
Die bisherigen Regelungen berücksichtigen zudem humanitäre Härtefälle nicht ausreichend. Unter eine gesetzliche Bleiberechtsregelung müssen auch Menschen fallen, die nicht arbeiten können, etwa weil sie alt, krank, traumatisiert oder behindert sind oder weil sie Angehörige pflegen oder Kinder erziehen.
Darüber hinaus führen Stichtagsregelungen immer wieder zu neuen humanitären Härtefällen. Daher ist eine dauerhafte gleitende Bleiberechtsregelung ohne festen Stichtag notwendig, die auch auf zukünftige Fälle Anwendung finden kann. Damit kann auch die Zahl der Kettenduldungen für Personen, die sich seit mehreren Jahren hier aufhalten, deutlich reduziert werden. Die Zahl der langjährig in Deutschland geduldeten Personen ohne gesicherte Aufenthaltsperspektive ist weiterhin hoch. Ende Juni 2011 lebten 87 000 Geduldete in Deutschland, davon über 51 000 bereits länger als sechs Jahre. In NRW handelt es sich um ca. 15.000 Menschen. Sie alle haben keine Chance, über die gesetzliche Bleiberechtsreglung eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, egal, wie gut sie integriert sind und wie viel sie verdienen. Sie haben schlicht und einfach den Stichtag der bisherigen Regelung verpasst.
Nur eine großzügige Bleiberechtsregelung ohne Stichtag, die auch humanitären Grundsätzen genügt, ist auf Dauer geeignet, das Problem der Kettenduldungen zu lösen und den betroffenen Menschen eine gesicherte Lebensperspektive zu eröffnen.