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Behindertenfahrdienst: Massiv einsparen und dabei besser werden?

Es ist die Quadratur des Kreises: der Fahrdienst für behinderte Menschen soll günstiger und gleichzeitig besser werden. Statt einer gründlichen Analyse des jetzigen Zustands wird die Lösung in einer kostensparenden Fremdvergabe gesucht. Diese Rechnung geht aus unserer Sicht nicht auf.

Der Fahrdienst als Mobilitätsangebot für gehbehinderte Menschen

Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Menschen mit außergewöhnlich schweren Gehbehinderungen wie Rollstuhlfahrer*innen haben besondere Barrieren zu überwinden. Sie können unter Umständen Bus und Bahn oder einen PKW nicht benutzen. Um diesem Personenkreis ein Mindestmaß an Mobilität zu ermöglichen, gibt es den Dortmunder Behindertenfahrdienst. Dieser wird bisher von der DEW21 im Auftrag der Stadt Dortmund betrieben. Das kommunale Unternehmen koordiniert die Fahrtanfragen und bringt für die Durchführung rund 30 Arbeitskräfte auf den Weg, wozu u. a. Teilnehmende im freiwilligen sozialen Jahr und auch Langzeitarbeitslose gehören.

Der Fahrdienst für Menschen mit Behinderungen ist für private Anlässe gedacht, zum Beispiel für Besuche von Freunden und Verwandten oder für Fahrten zu sportlichen und kulturellen Veranstaltungen. Krankentransporte oder Fahrten zu Ärzt*innen, zur Arbeitsstelle oder zur Schule werden nicht geleistet. Eine Inanspruchnahme ist täglich in der Zeit von 7:00 Uhr bis 24:00 Uhr für das Dortmunder Stadtgebiet möglich. Gebucht werden kann 24 Stunden bis 4 Wochen vorher. Über die Zulassung zum Fahrdienst und die Feststellung des Freifahrtenkontingents entscheidet das Sozialamt der Stadt Dortmund.

Kosteneinsparungen gehen nicht, ohne Qualität zu mindern

Die Kosten des Behindertenfahrdienstes werden schon seit einigen Jahren debattiert. So schlug das Sozialamt in der sogenannten Memorandumsliste der Stadt eine Kürzung der Mittel für den Fahrdienst um 600.000 Euro pro Jahr vor. Das ist fast ein Drittel der jährlichen Ausgaben für den Fahrdienst und wurde von uns in einer Pressemitteilung kritisiert. Die Verwaltung hatte dazu ebenfalls festgestellt, dass diese Einsparungen nicht ohne einen gravierenden Qualitätsverlust zu realisieren sind. Statt die Überlegungen schon damals zur Seite zu legen, hatten SPD und CDU allerdings weiterhin daran festgehalten, Einsparungen zu prüfen – gegen unsere GRÜNEN Stimmen. Ein Städtevergleich machte deutlich, dass der Dortmunder Fahrdienst für Menschen mit Behinderung qualitativ bedeutend besser ist als in anderen Städten. Weder das Konzept aus Bochum, Essen noch aus Köln ist ohne große organisatorische Umstellungen und vor allem nicht ohne Qualitätseinbußen auf Dortmund übertragbar.

Statt der pauschalen Einsparungen fanden wir es ebenso wie das Behindertenpolitische Netzwerk notwendiger zu untersuchen, wie ein zukunftsfähiger Behindertenfahrdient aussehen kann, der den steigenden Bedürfnissen nach Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen gerecht wird und gleichzeitig finanzierbar bleibt. Die von uns für den Haushalt 2018 beantragten 50.000 Euro für eine entsprechende Untersuchung wurden abgelehnt.

Nun hat die Verwaltung den politischen Gremien ein neues Konzept für den Behindertenfahrdienst vorgelegt, das günstiger und gleichzeitig besser sein will.  Eine europaweite Ausschreibung richtet sich an Busunternehmen, die im Behindertentransport erfahren sind. Statt der bisherigen 1,6 Millionen Euro im Jahr soll der Fahrdienst nun nur noch ca. eine Million Euro kosten. Die dabei gesparten 600.000 Euro sind exakt die Summe, die bereits vor zwei Jahren als Einsparung vorgesehen war.

Die Quadratur des Kreises

Vieles hört sich zunächst gut an: Für die reduzierten Kosten soll es 25.000 statt der bisherigen 20.000 Fahrten, also 5.000 Fahrten mehr geben. Auch die Zahl der Freifahrten soll sich erhöhen. Bisher waren 26 freie Fahrten pro Jahr für Erwachsene drin, für wirtschaftlich bedürftige Menschen 60 Freifahrten. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene fuhren umsonst.

Im neuen Konzept erhalten alle Nutzenden 30 freie Fahrten. Doch bei genauerem Hinsehen tun sich versteckte Kosten auf: Ab der 31. Fahrt wird das Einkommen überprüft, wer unter 2.000 Euro Nettoeinkommen erhält, bekommt dann bis zu 100 Freifahrten. Wer über der Einkommensgrenze landet, bezahlt schon ab der 31. Fahrt 25 Euro pro Fahrt!

Und auch, wenn man unter der Einkommensgrenze bleibt, ist nach 100 Fahren Schluss mit dem Service. Und 100 Freifahrten (= 50 Hin- und Rückfahrten) sind schnell erreicht. Auch dann kostet demnächst jede zusätzliche Fahrt 25,- Euro statt wie bisher 4,25 Euro – wenn nicht nach Prüfung der Landschaftsverband die Kosten übernimmt.

Kritik des Behindertenpolitischen Netzwerks

Das Behindertenpolitische Netzwerk sieht in seiner Stellungnahme das neue Konzept der Verwaltung kritisch. Vertreter*innen befürchten, dass die von der Verwaltung vorgesehene Reduzierung der Kosten von 1,6 Millionen auf 1 Million Euro zu Reduzierungen der Fahrleistungen führen wird. Was passiert zum Beispiel, wenn die eine Million Euro für 25.000 Fahrten bereits im Oktober verbraucht sind? Fällt dann der Fahrdienst für die zwei restlichen Monate des Jahres flach?  Das Netzwerk hat deshalb vorgeschlagen, dass zusätzliche 600.000 Euro in den Haushalt eingestellt werden, die dann eingesetzt werden können, wenn die Nachfrage das finanzierte Angebot übersteigt.

Begleitend soll dazu ein Gremium aus der Politik einschließlich des Behindertenpolitischen Netzwerkes den Wechsel zu einem neuen Anbieter begleiten. Das Gremium soll die Anzahl von Fahrten nachhalten, die Ausnutzungsquote und die individuellen Nutzungen beobachten und den Aufbau eines aussagekräftigen Berichtswesens unterstützen. Schwierig sind aus Sicht des Netzwerkes auch die geplanten Service- und Dispositionszeiten.

Last, but not least: Das Netzwerk sieht sich auch in den Beratungsprozess nicht gut eingebunden. Es erhält die Vorlage der Verwaltung erst im Februar zur Kenntnis, wenn es bereits durch alle politischen Gremien gegangen und vom Stadtrat beschlossen worden ist.

Kein neues Konzept vor einer guten Analyse

Absehbar wird der Bedarf an Fahrdienstleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen steigen. Deshalb finden wir GRÜNEN es umso unverständlicher, dass nicht zunächst untersucht wird, wie ein zukunftsfähiger Fahrdienst überhaupt aussehen muss. In diesem Zusammenhang ist die jetzige Vorlage der Verwaltung der zweite Schritt vor dem ersten. Dazu kommt unsere Befürchtung, dass bei einem Behindertenfahrdienst mit Deckelung der Kosten nach Kassenlage beurteilt wird, was gegen Ende eines Jahres noch möglich ist und was nicht.

Wir haben deshalb im Sozialausschuss die Stellungnahme des Behindertenpolitischen Netzwerks zum Antrag erhoben. Das ist abgelehnt worden. In der Konsequenz haben wir uns bei der Beschlussfassung über die neue Konzeption enthalten und werden das auch im Rat tun.

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